Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
ja nie wieder hingefahren, um
so stärker jetzt das Déjà-vu-Erlebnis, das mich bielefeldmäßig überkam,
und das mir irgendwie ein heimeliges Gefühl bescherte, jedenfalls bis zu dem
Moment, an dem wir an eine große, mehrspurig in jede Richtung den Bielefeldquatsch
durchschneidende Straße mit berlinmäßig großen Altbauten kamen, die allerdings
zum Teil eingerüstet und zum Teil verfallen und zum Teil gleich ganz
weggebombt waren; die überquerten wir und dahinter ging es dann gleich wieder
bielefeldmäßig weiter, verwirrend, aber auch anrührend war das, irgendwie
hatte ich plötzlich jedenfalls diesen akuten Anfall sentimentaler,
ostwestfälischer Dorftrottelei, dem ich mich gerne hingab, weil sowas auch mal
sein musste, wie ich erleichtert dachte, weil eine sentimentale
Pseudo-Erinnerung an Bielefeld in meiner momentanen Verfassung wahrscheinlich
besser war als ein Wiedersehen mit den Stätten meines früheren Wirkens bzw.
Ravens bzw. Scheiterns in Kreuzberg und Schöneberg, mit den hohen alten
Häusern, den breiten Gehwegen, Straßenschluchten und Gaslaternen und dem
Urban-Krankenhaus, in dem alles geendet hatte. Als wir an einem Geldautomaten
vorbeikamen, hielten wir kurz an und ich probierte Ferdis Sparkassenkarte aus.
Sie funktionierte tadellos und ich holte mir gleich mal vierhundert Mark aus
der Hauswand.
Der
Laden, in den Rosa
wollte, hieß »Zum Backhendl« und wir waren die einzigen Gäste. Wir setzten uns
an einen Tisch und bestellten Backhendl, Rosa eins auf Wiener, ich eins auf
steirische Art. Und dann saßen wir eine Zeitlang so herum und warteten und
rauchten Zigaretten, bis sie irgendwann sagte: »Und du warst in der
Klapsmühle?«
»Ja, das
kann man so sagen.«
»Wegen
Drogen?«
»Schwer zu
sagen. Vielleicht. Da gingen die Meinungen auseinander.«
»Wieso,
sowas weiß man doch …«
»Drogen
nehmen viele Leute, aber nicht alle werden verrückt, also müssen es auch dann,
wenn man Drogen genommen hat, nicht unbedingt die Drogen gewesen sein, die
einen verrückt gemacht haben, meistens ist es doch so, dass man auch sonstwie
noch einen Hau weg hat, und das dann zusammen mit den Drogen dann, was weiß
ich, dass man irgendwie halt das eine oder das andere, oder jedenfalls beides
zusammen …« – ich begann zu schwitzen. Das war gefährliches Terrain. Sie
hatten mich ziemlich früh als Multitox-Problemfall eingestuft, das ging schon
im UKE los, kaum war ich da eingetroffen, schon war ich Multitoxfreak, aber
manchmal glaubte ich, dass das nur aus Ratlosigkeit geschehen war, einen
richtigen Entzug hatte ich ja nie durchmachen müssen, da ist es schon komisch,
wenn man mit Klaus-Dieter und Astrid in einer Kategorie landet, da war die
Psychiatrie wohl doch nicht ganz die exakte Wissenschaft, als die sie von den
Dr. Selges dieser Welt gerne gesehen wurde, und bei der Multitoxsache hatte
wohl auch meine Mutter ordentlich nachgeholfen, ich war zwar noch irre, aber
nicht mehr völlig blöd gewesen, als ich in Ochsenzoll eingesessen hatte, und
ich hatte von den Gesprächen meiner Mutter mit den behandelnden Ärzten dort
mehr mitbekommen, als sie geahnt haben mussten, sonst hätten sie ja den ganzen
Kram nicht so oft in meinem Beisein verhandelt, meine Mutter hatte jedenfalls
dauernd von den Drogen angefangen, Drogen hier, Herr Doktor, Drogen dort, Herr
Doktor, und später wurde mir klar, dass sie mich nur, wenn sie das Drogending
nach vorne brachte, in einer der Clean-Cut-WGs dieser Welt unterbringen konnte, sie
wollte mich lieber bei den Drogenfreaks untergebracht sehen und mir einen
Drogen-Reha-Job bei Dr. Selge zuschustern, die gute alte Sozialbehördenmutti,
als mich in einer WG für Halbbescheuerte oder in einem Heim mit ganz Irren vor
die Hunde gehen zu lassen, und das war sicher nicht dumm gedacht, so ein
Drogending hat da im Vergleich Vorteile und schaden kann’s nicht, AA-Meetings
oder Clean-Cut-Plenums oder Plena oder gar »Plenata«, wie Klaus-Dieter immer
gesagt hatte, sind immer noch besser, als mit den Schizos abzuhängen und auf
die Pillen und aufs Ende des Tages zu warten, und auch von der äußeren Anmutung
her ist ein Drogensohn besser zu verkraften als ein Psychopathensohn, da beißt
die Mutterherzmaus keinen Imagefaden ab, ein Drogensohn, bei dem sind ja wohl
vor allem die Drogen schuld, ein Psychopathensohn, da steht auch gleich die
Mutter schlecht da, und kaum war ich in Hamburg, also erst im UKE und später in
Ochsenzoll, schon ging es mütterlicherseits nur noch Drogen
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