Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
und
abzubrechen drohten und ich sah mich schon mit einem dreibeinigen Stuhl unterm
Arsch zwischen die Omas kippen und dabei dachte ich, dass Sport jetzt
wahrscheinlich wirklich eine Lösung sein könnte, eine Sehnsucht nach Bewegung
überkam mich, ein Drang, das dunkle Gefühl irgendwie durch Bewegung aus den
Knochen zu schütteln, was mich gleich mal an St. Magnus und den dortigen
Sportfanatismus erinnerte, Werner war ja kein Idiot, Werner kannte seine
Pappenheimer, Werner wusste, wo einer wie ich hinmusste, wenn er Urlaub
hatte, und ich sah zu, dass ich zahlte und die Beine vom Stuhl löste und
aufstand und mitsamt Heft und Quittungen und Buchführung rauskam aus der
Schwarzwälderkirschtortenhölle.
Nachdem
ich das Omacafé
verlassen hatte, ging es wieder einigermaßen, das dachte ich jedenfalls
zuerst, es war halb zwei, und es regnete und ein anständiger Wind pfiff um die
Ecke, als ich Richtung Auto ging, aber falsch, wie ich nach einiger Zeit
merkte, ich hatte die Richtung völlig verpeilt und war einfach durch den Regen
und gegen den Wind die große Straße entlanggegangen, auf der die Straßenbahn
fuhr, ich hatte sie wohl mit einer ähnlichen Straße in Bielefeld verwechselt
und darüber vergessen, dass ich zum Auto wollte, so erklärte ich mir das, ich
hatte jedenfalls ganz klar ein Bielefeldgefühl zu dieser Straße und hatte
irgendwohin gewollt, wusste aber, als ich merkte, dass ich auf dem falschen
Dampfer war, nicht mehr, wo das gewesen sein sollte, die Lage war kritisch,
ganz klar eine kritische Lage, so hatte Astrid das mal genannt, als sie beim
Plenum davon erzählt hatte, wie sie völlig mechanisch und ohne nachzudenken,
einfach nur aus einem Gewohnheitsflash heraus Heroin am Bahnhof Altona gekauft
hatte, kritische Lage, sowas hatte ich jetzt auch, als ich auf der großen
Straßenbahnstraße stand und nicht mehr genau wusste, wo das Auto war und also
schon mit dem Gedanken spielte, zurück zum Omacafé zu gehen und von dort aus
noch einmal neu anzufangen, und dann merkte ich, dass ich am ganzen Körper zu
zittern begonnen hatte, die Sache wurde also schlimmer und irgendwas musste ich
tun, einfach nur weiter durch dieses Studentenviertel, das hier, wo ich jetzt
stand, gar nicht mehr nach Studentenviertel aussah, wie weit war ich
eigentlich gelaufen, ich war bei einer Art Park oder was, Grünanlagen, was weiß
ich, da führte jetzt die Straßenbahnstraße durch, wenn das überhaupt noch die
gleiche Straßenbahnstraße war, also jedenfalls einfach diese Straße weiter
hinunterzulaufen kam nicht infrage, das war prekär, wenn nicht gar kritisch im
astridschen Sinne und außerdem wurde der Regen stärker, wenn ich jetzt völlig
durchnässt wurde, wo sollte ich dann meine Klamotten wechseln, vor Anja, Dubi
und Schöpfi in Zimmer 163 oder vor der pyjamabekleideten Rosa in Zimmer 148,
das Wasser kam vom Himmel runter, als ob einer den Hahn aufgedreht hatte, und
ich stellte mich beim nächstbesten Haus unter, einem klassizistischen, weißen
Gebäude mit säulengetragenem Vordach, dort stand ich und schaute auf die
ungeheuren Wassermengen, die da von oben heruntergerauscht kamen und den Blick
auf die andere Straßenseite verwischten, durch den Regen sah alles auf der
anderen Straßenseite aus wie in einem Bild von Achim Klumm, den ich ja nie
besonders gemocht hatte, wie mir einfiel, als ich mir das so ansah, bei Klumm
war ich immer voll dagegen gewesen, aber jetzt, als ich so über die Straße sah,
wusste ich nicht mehr genau, warum.
Das Dach, unter dem ich stand, gehörte zur
Bremer Kunsthalle, wie ich erst bemerkte, als ich wieder einigermaßen bei
Sinnen war. Es war viertel vor zwei, und um vier war Abfahrt nach Köln, und der
Regen hörte nicht auf. Also tat ich etwas, was ich in den letzten Jahren absichtlich
vermieden hatte, obwohl Werner mich immer wieder dazu ermuntert hatte, nämlich
in ein Museum zu gehen oder jedenfalls in eine Ausstellung oder so, dazu hatte
Werner mich immer überreden wollen, so sehr, dass er das immer gleich als
Ausflug für alle festgelegt hatte, so Altonaer
Museum statt Hagenbeck oder was, das war sein Anliegen gewesen, mich da
irgendwie hinzukriegen, das hatte er dauernd versucht, so wie er mich auch immer
zum Basteln hatte ermuntern wollen, was genauso ausgeschlossen gewesen war, man
kann nicht als Künstler aufhören und dann mit dem Basteln anfangen, so hatte
ich das immer gesehen und man kann nicht als Künstler aufhören und damit
abschließen und ein für alle Mal das
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