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Magical Mystery

Magical Mystery

Titel: Magical Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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um den guten alten Klaus-Dieter zu beruhigen, der dastand und mich mit offenem Mund anglotzte, in der einen Hand ein Fischbrötchen und die Tasche, mit der er immer zur Arbeit ging, nach Spackenart diagonal über Brust und Schulter hängend, na gut, das war jetzt modern, so gesehen hatte sich bei ihm die Spackenbeharrlichkeit ausgezahlt, das war ihm auch zu gönnen, aber jetzt begann er schwer zu atmen, zu hyperventilieren, sein Mund schnappte auf und zu und dann rief er etwas, was aber, weil in diesem Moment der Motor der Barkasse angeworfen wurde, nicht zu verstehen war und ich machte mit der offenen Hand eine beruhigende, leicht winkende Handbewegung und Klaus-Dieter winkte zurück, das rührte mich und ich stellte mit großer Geste die angebrochene Flasche wieder zurück auf den Tisch zu den anderen und zeigte auf mich und dann auf die Kajüte und machte dann Handbewegungen, die das Trinken einer Tasse Kaffee darstellten, also die imaginäre Tasse mit drei Fingern am imaginären Henkel von der imaginären Untertasse nehmen, dabei den kleinen Finger abspreizen, Tasse zum Mund führen, Tasse wieder absetzen, dann zeigte ich wieder auf die Kajüte und stand auf und ging da hin und verschwand in der Kajüte, wo ich mir bei einer Frau, die dort einen Kiosk betrieb, eine Tasse Kaffee geben ließ, mit der ich wieder ans Deck trat, schwankend dabei und hin- und herrollend und breitbeinig gehend wie ein alter Seebär, aber mit Kaffeetasse, so kam ich wieder hervor, denn die Barkasse legte jetzt ab und schlingerte dabei und langsam verschwand Klaus-Dieter und ich hielt die Kaffeetasse hoch und winkte zugleich mit der anderen Hand und Klaus-Dieter winkte auch und dann war er außer Sicht. Und dann begann das ganze Hummel-Hummel-Mors-Mors-Folkloreprogramm mit Speicherstadt und Gezeitenschleusen und Schiffen und Festmachern und Stückgut und Container und Ahoi und Gute Reise und hoch die Tassen und ich mittendrin, das ganze Schiff eine einzige Schaukel- und Becherei und ich immer schön prost Käffchen und die ganze Zeit ging mir nur eine Frage im Kopf herum: War das wirklich Klaus-Dieter gewesen? Konnte es wirklich sein, dass Klaus-Dieter mich gerettet hatte? Der gute alte Klaus-Dieter? Klaus-Dieter Hammer, der Multitoxfreak von Ottensen? Irgendwann, wir waren gerade in einem riesigen Hafenbecken zwischen riesigen Schiffen unterwegs, Container, Hochsee, trallala, merkte ich, dass Rosa mich beobachtete. Sie saß zwei Leute weiter, mir schräg gegenüber. Ich hob eine Hand und winkte. Sie lächelte und winkte zurück. Ich stand auf und holte mir noch einen Kaffee.

62. Der Schimmelreiter
    Auf der Fahrt nach Schrankenhusen-Borstel, zu der es dann, wie sehr manche auch versuchten, sie hinauszuzögern, am Nachmittag doch noch kam, auf der Fahrt nach Schrankenhusen-Borstel kam dann auch die Paranoia und ich wusste nicht, ob sie jetzt direkt oder indirekt alkoholbedingt war, ob also die Berührung der Zungenpapillen mit Alkohol, obwohl ich davon weder besoffen noch scharf aufs Weitertrinken geworden war, nicht trotzdem über den physischen Alkoholreaktionsapparat oder wie man das nennen soll, jedenfalls also physisch bedingt die Paranoia schon in diesen geringen Mengen auslösen konnte oder ob nicht umgekehrt die ewigen Ermahnungen und Warnungen von Werner, Gudrun und den anderen Clean-Cut-1-Leuten, gerade auch die schlimmen Rückfallerfahrungsberichte von Henning und Astrid und Klaus-Dieter, die ja in der Arena der Drogenerfahrungen schon so manche Extra- und Ehrenrunde gedreht hatten, ob also eine quasi vernunftgeborene Angst die Paranoia überhaupt erst anschob, denn angeschoben wurde die Paranoia, das ist mal sicher: Je weiter wir von Hamburg weg- und je näher wir auf Schrankenhusen-Borstel zufuhren, desto mehr schaukelte die Paranoia sich hoch, stieg höher und höher wie das Wasser vor dem Deich beim Schimmelreiter, so kam es mir vor, so sah ich das, während wir immer weiter in das schleswig-holsteinische Quatschland hineinfuhren, ich musste angesichts der trostlos schönen Landschaft zwischen den Meeren zwangsläufig an den Schimmelreiter, den Deichgrafen denken, schlimm war das, da war ich nicht scharf drauf, Schimmelreiter, das hatte ziemlich böse geendet, und schon hinter Pinneberg war mir klar, dass es mir nicht besser ergehen würde als ihm, ich hatte mich in die Bierfluten geworfen wie einst der Deichgraf sich in die hereinstürzenden Wassermassen, ich hatte mich dem Deutschen Dance geopfert, und die, die mich

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