Magical Mystery
zwanzig Urlaubstage, das ist ja Ihr ganzer Jahresurlaub!«
Sie sah mich erwartungsvoll an und ich nickte, um die Sache voranzubringen.
»Das geht natürlich nicht, dass Sie Ihren Urlaub nicht nehmen, und jetzt bin ich in einer schwierigen Lage, denn den müssen Sie jetzt gleich nehmen, weil es, das glaube ich jedenfalls, zwar in außergewöhnlichen Situationen die Möglichkeit gibt, dass …« – sie redete weiter und ich hörte zu, ohne zu verstehen, und ihre Sätze wurden auch immer verschraubter, »… man einen Urlaubsanspruch in das darauffolgende Kalenderjahr verschiebt, aber das kann man nur insoweit verrechnen und nur so lange, als man die überschüssige Urlaubszeit dann …« – das ging so weiter und weiter und meine Gedanken wanderten anderswohin, da konnte ich gar nichts dagegen tun, ich dachte zum Beispiel an das erste Jahr in Clean Cut 1 und in diesem Job hier, und wie ich damals Urlaub gehabt hatte, und wie ich in Clean Cut 1 herumgehangen hatte wie bestellt und nicht abgeholt, bis Werner mich schließlich für den Rest der Zeit und ab da jedes Jahr wieder in eine Reha-Klinik geschickt hatte, wo sie mich unter Kontrolle hatten und Sport treiben ließen, denn in den Heilstätten St. Magnus in der Lüneburger Heide hatten sie noch eine hohe Meinung von dem guten alten Mens-sana-in-corpore-sano-Ding, Gymnastik, Yoga, Dauerlauf, Wassertreten, Ballspiele, Hauptsache der Körper war beteiligt, das war schon beeindruckend in seiner geistlosen Konsequenz, das war so hartnäckig stumpf gewesen, das es schon wieder gut gewesen war, aber nur als Idee, als Urlaub war es die Hölle gewesen, vielen Dank auch, Werner, du alte Sozialhaubitze – »… nur gut, dass wir endlich einen neuen Hausmeister bekommen.«
»Was?«
»Na, den neuen Hausmeister.«
»Was für einen neuen Hausmeister? Was ist denn mit Herrn Wieczorek?«
»Herr Wieczorek ist krank, lieber Karl, das habe ich doch eben gesagt, und das kann doch auch Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass Herr Wieczorek gesundheitliche Probleme, Sie haben doch die ganze Zeit die Arbeit für ihn mitgemacht, es ist ja nicht so, dass das hier nicht bemerkt wurde, wenngleich mir ja nie klar gewesen ist, dass …«
»Was denn für gesundheitliche Probleme?«, stellte ich mich doof.
»Das wissen Sie doch, und Sie wissen doch auch, dass ich Ihnen sowas nicht sagen darf, ich bin doch die Leiterin hier, und dann die Schweigepflicht, aber es kann ja nicht sein, dass Sie nicht wissen, was ich meine, Sie wissen doch, was ich meine, oder etwa nicht, kann es denn sein, dass Sie nicht …«
»Wann kommt denn der neue Hausmeister? Ich meine, egal eigentlich, ich könnte doch …« Ich fing an zu schwitzen. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war ein neuer Hausmeister. Die letzten zwei Jahre war ich hier der Hausmeister gewesen, da konnten sie doch nicht einfach einen neuen Hausmeister einstellen, als wenn ich gar nicht da wäre.
»Ich habe doch« – ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte, »ich könnte doch einfach, ich meine, ich könnte doch der neue Hausmeister sein, ich hab doch die ganze Zeit …« Ich brach ab, es war lächerlich und Dr. Selge lächelte nachsichtig und schüttelte den Kopf und schloss auch noch die Augen dabei, gütig, milde, verständnisvoll, die gute alte Tante Marianne, fehlte nur noch, dass sie eine Tüte Salinos dabeihatte oder irgendeinen Hamburger Süßigkeitenfolklorequatsch, sie hatte oft so harte Bonbons mitgebracht, die hatten einen so dämlichen Namen gehabt, dass ich ihn als Kind vor Scham immer gleich wieder vergessen hatte.
»Das geht natürlich nicht, das ist natürlich nicht vorgesehen, das ist ja mit Wohnen im Hausmeisterhaus und mit den Schlüsseln und allem, das ist ja eine Sache der Qualifikation auch, das ist ja …«
»Und was wird aus Herrn Wieczorek?«
»Herr Wieczorek ist sehr krank.«
»Ja schon, aber was wird aus ihm?«
»Er ist in ein Programm aufgenommen worden, wo man ihm hilft, mehr sage ich nicht, da sage ich eigentlich schon zu viel, der neue Hausmeister fängt nächste Woche schon an. Wir haben ja in den letzten Wochen schon nach einem gesucht, das hat sich ja alles schon seit langem angekündigt, wir konnten bloß nicht früher, also ohne dass wir, können Sie den neuen Hausmeister denn nächste Woche ein bisschen vertraut machen mit allem? Nur ein, zwei Tage? Danach müssen Sie dann aber in den Urlaub gehen, das kann man beim besten Willen nicht länger hinauszögern, was meinen Sie, was ich da
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