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Magical

Magical

Titel: Magical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Flinn
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und dazu bringen wollte, Charlie loszulassen. Stattdessen lockerte sie selbst ihren Griff. Ich spürte, wie sich die Kräfte aus dem Raum verzogen. Charlie hielt meine Hand fester. Ich schlug die Augen auf und sah die Hexe an. Im dämmrigen Licht glommen ihre Augen angstvoll auf, ihre Lippen schienen rot von Blut zu sein.
    »Dann ist es also wahr«, sagte sie, »dass das Mädchen Zauberkräfte hat.«
    »Die hat es.« Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf. »Ja, die hat es sehr wohl, außerdem hat es nicht vor, sich oder seinen Bruder umbringen zu lassen. Ich habe zu hart darum gekämpft, uns zu retten. Werdet Ihr uns jetzt gehen lassen?«
    »Ja, lasst uns gehen!«, schrie Charlie.
    Die Hexe zeigte mit ihren langen roten Klauen auf ihn und er fiel sofort in tiefen Schlaf. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit mir zu. »Ich kann nicht zulassen, dass irgendwelche Kinder von hier fortgehen und Geschichten über mich und meinen kleinen Lattenzaun erzählen. Nein, ich fürchte, da ihr nun einmal gefangen genommen wurdet, müsst ihr für immer hier bleiben.«
    »Bleiben? Für immer? Aber ich bin nicht bereit zu sterben.«
    »Ich habe nicht vor, euch umzubringen. Hexen können sowieso nicht mit normalen Mitteln getötet werden.«
    Normale Mittel? »Es gab eine Hexe … in unserem Städtchen. Sie sagen, sie sei im Wasser gestorben.«
    »Wenn es so war, dann war sie keine Hexe. Hexen ertrinken nicht. Dieses Schicksal ereilt nur die Unglückseligen, die keine Zauberkräfte haben. Unsereins ist stärker.«
    Ich schauderte, sie unsereins sagen zu hören und zu wissen, dass sie damit sich und mich meinte. Ich wollte mit Leuten wie ihr nichts gemein haben.
    »Nein.« Sie fuhr sich mit ihrem langen Finger über die Stirn. »Es gibt nur eine Art und Weise, unsereins zu töten.«
    »Und zwar?« Ich stellte die Frage, obwohl ich die Antwort schon kannte, und formte das Wort mit den Lippen, während sie es aussprach.
    »Feuer. Verbrennung ist die einzige Möglichkeit, eine echte Schwester der Finsternis zu opfern.«
    Das merkte ich mir, für den Fall, dass ich lang genug leben würde, um dieses Wissen anzuwenden. »Ihr habt also nicht vor, mich durch Verbrennung in Eurem Ofen zu opfern, wie die anderen? Das will ich jedenfalls nicht hoffen, denn Ihr wisst jetzt, dass ich nicht so einfach aufgebe. Ich bin vielleicht jung, aber ich bin stark. Ich habe Kräfte, die auf Leidenschaft beruhen.«
    »Leidenschaft. Eine seltsame Art, es zu umschreiben. Du bist in der Tat ein sonderbares Mädchen. Aber ich habe nicht vor, dich zu backen. Von allen meinen Kindern kannst du allein mir etwas anderes geben, etwas, das ich brauche.«
    »Und das wäre?«
    »Eine Familie.« In diesem Moment wurden ihre Augen sanft wie das Grün junger Triebe, fast wie die Farbe meiner eigenen Augen, was mich durcheinanderbrachte. Sie schien kein Ungeheuer zu sein, sondern eine Frau – eineFrau wie viele, die ich aus unserem Dorf kannte, wie Mrs Jameson und Mutter. »Das Leben einer Hexe ist einsam. Wenn wir nicht getötet werden, leben wir ewig.«
    »Wirklich?«
    Sie drohte mir mit dem Finger. »Hast du dich nicht gefragt, warum von deiner ganzen Familie du als Einzige von der Pest verschont geblieben bist?«
    Ich wollte schon wieder einwenden, dass die Pest bei uns nicht gewütet habe, aber sie brachte mich durch eine Geste zum Verstummen. »Verschwende deinen Atem nicht mit Lügen, hübsches Mädchen. Ich kenne die Wahrheit. Ich erkenne die Narben am Körper deines Bruders, den gehetzten Blick in deinen Augen. Ich habe viele Pestepidemien erlebt, musste Mann und Kinder zu Grabe tragen. Ich habe diesen Ausdruck in meinen eigenen Augen gesehen. Das Dasein einer Hexe ist einsam. Unsterblich zu sein bedeutet, zu niemandem und in keine Zeit zu gehören. Ich bin wenigen meiner Art begegnet, noch weniger würde ich Freundinnen nennen. Die, die keine Hexen sind, wünschen keinen Umgang mit uns, weil sie sonst gehenkt würden. Außerdem sterben sie. Doch ein Mädchen wie du könnte die Tochter sein, die ich verloren habe, und wäre noch besser: Gemeinsam könnten wir ewig leben.«
    Innerlich erbleichte ich. Ich wollte nicht die Tochter dieser Frau – dieses Ungeheuers – sein. Und doch empfand ein Teil von mir ein merkwürdiges Mitgefühl für sie. Ich wusste, was Verlust war. Zwar hatte ich Charlie noch nicht verloren, aber wenn es stimmte, was die Hexe sagte, wennich ewig leben sollte, würde ich immer wieder die Menschen verlieren, die ich liebte. Allein sein.

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