Magie der Leidenschaft
Beachtung. Wenn sie ihr etwas zu sagen hatten, würden sie es tun. So war es schon immer gewesen. Meine Offenheit verdanke ich ihnen, dachte Sinead, während sie mit einem Finger über das eisbeschlagene Glas strich und in den Seitenhof hinausstarrte. Eine schwere Schneedecke lag auf dem Sommergarten, und sie konnte es kaum erwarten, bis Beltane das Land mit Wärme überschüttete und es von neuem ergrünen ließ. Doch bei all ihrer Macht konnte sie ebenso wenig den Sommer vor ihre Tür holen, wie sie den König daran hindern konnte, ihr Leben zu zerstören.
Seufzend senkte sie den Kopf und betastete die Silberkette, die sich um ihr Handgelenk schlang und die vom Alter glatt und glänzend war. Sie dachte an den Tag, als ihre Mutter ihr die Macht genommen hatte, Zauberei auszuüben. Jahrelang war sie unfähig gewesen, auch nur einen einzigen Zauber zu wirken, eine Blume zum Blühen zu bringen. Zuerst hatte sie sich eingeengt und verraten gefühlt, sich dann aber allmählich damit abgefunden und in dieser Zeit die Wahrheit über wahre Magie und alles über die Macht gelernt, die sie eines Tages ausüben würde. Es war eine große Gabe, dachte sie. Ihre Mutter hatte völlig Recht gehabt, als sie ihr diese Macht verweigert hatte. Sie war jung und impulsiv gewesen, und in den Jahren, die gefolgt waren, war Sinead immer wieder dankbar für die weise Entscheidung ihrer Mutter gewesen. Und jetzt war Sinead klüger und vorsichtiger geworden. Dennoch trug sie weiterhin das Armband, um immer daran zu denken, sorgsam mit ihrer Magie umzugehen.
O ja, Irrtümer und Leid erzeugten ihre eigene Weisheit, dachte sie, und doch, als ihr die Macht zurückgegeben worden war, war sie beinahe daran zerbrochen. Die Träume, in denen sie in die Zukunft sah, kehrten wieder, und mit ihnen die nächtlichen Visionen, die sie jahrelang nicht mehr gequält hatten. Die Macht, dachte sie bei sich, zerriss sie immer noch innerlich. Sie machte es ihr unmöglich, wie die anderen zu sein, und stieß jene ab, die die Wahrheit weder akzeptieren noch verstehen konnten. Und brachte ihr Vereh
rer, die sie nicht aufrichtig liebten, sondern nur weil sie eine Hexe war.
Ihre Kehle schnürte sich zusammen, und Sinead schluckte, um dieses sinnlose Selbstmitleid loszuwerden. Sie hatte keinen Bedarf daran und sagte sich, dass es sie nicht kümmerte, dass diese Männer sie wegen ihrer Macht, nicht um ihrer selbst willen gewollt hatten.
Aber das war eine Lüge.
Denn tief in ihrem Herzen, an der Stelle, wo sie Connal als Kind wie einen Schatz gehütet hatte, wo ihre Träume begraben lagen und niemals näher betrachtet wurden, wollte sie mehr, sehnte sie sich verzweifelt nach mehr. Und sie war froh, dass es ihr immer noch untersagt war, ihre Zauberkunst an ihm auszuüben. Nicht, dass sie jemals wieder so achtlos mit ihrer Gabe umgehen würde, dachte sie. Aber früher einmal, als sie sehr zornig gewesen war, hatte sie ihre Macht bei Connal angewandt, bei einem Jungen, von dem sie fest überzeugt gewesen war, dass er ihr Seelengefährte war.
Aber das war nichts als eine kindische Schwärmerei gewesen. In ihren Augen war er damals Irlands Held gewesen, ein Prinz, und schon mit vier Jahren hatte sie ihre kleine Welt als Abenteuer gesehen, voller »Dinge«, die sie ihrem Willen unterwerfen konnte. Sie hatte ihre Mutter unglücklich gemacht, Colleen zur Verzweiflung getrieben - und Connal in einen Ziegenbock verwandelt.
Naja, in einen halben Ziegenbock.
Und damit hatte sie gegen die erste Regel ihrer Zunft verstoßen: Tu, was du willst, aber füge keinem anderen Schaden zu. Scham erfüllte sie, und sie starrte ins Nichts. Es fiel kaum ins Gewicht, dass sie unschuldig und unerfahren gewesen war. Die Verwandlung war unvollständig und quälend schmerzhaft gewesen.
Er hatte ihr nie wirklich verziehen. Und er traute ihr nicht.
Von diesem Tag an tat er alles, was in seiner Macht stand, um sie von sich zu stoßen, indem er sie auf eine Art ignorierte, die fast schon an Grausamkeit grenzte. Erst in ihrem achten oder neunten Lebensjahr hatte sie sich vor ihrem Herzen verschlossen und es aufgegeben, jemals Frieden zu finden.
Sie starrte auf das Armband. Connal würde nie erfahren, dass sie immer noch außer Stande war, ihre Zauberkunst bei ihm anzuwenden. Das hatte ihre Mutter ihr verweigert, solange er in GleannTaise ausgebildet worden war. Und als er ging, vergaß sie es. Und ihn. Er hatte ihr das Herz unzählige Male gebrochen, und obwohl sie den Bann aufheben könnte,
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