Magie des Windes - Feehan, C: Magie des Windes - Safe Harbor (5 - Hannah)
wieder ohnmächtig.«
Jackson entging kaum etwas. Er nahm jede Bewegung und jedes Geräusch wahr, behielt die Fenster, Türen und den Verkehr auf der Straße im Auge und sah trotzdem noch, dass Jonas wankte, als der Arzt die Wunden zu nähen begann.
»He! Die Stelle ist nicht betäubt«, fauchte Jonas. Er biss die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Wenn der Arzt die Nadel noch ein einziges Mal in seine Haut stach, würde er wahrscheinlich seine Waffe ziehen und den Mann erschießen.
»Beeilen Sie sich, Doc, die Naht muss ja nicht schön werden«, sagte Jackson. Er ging zur Tür und lugte hinaus.
Jonas fiel auf, dass er die Hand unter sein Jackett geschoben hatte, damit er jederzeit die Waffe ziehen konnte. Der Arzt gab Jonas noch eine Betäubungsspritze und Jonas kniff die Lippen fest zusammen, um nicht lauthals zu fluchen. Jackson sah sich nach ihm um und sein Blick war alles andere als mitfühlend.
Jonas schloss die Augen und dachte an Hannah. Warum hatte er nicht für klare Verhältnisse gesorgt, bevor es so weit gekommen war? Er liebte sie. Er konnte sich an keine Zeit erinnern, zu der er sie nicht geliebt hatte. Es war ganz von allein passiert. Er liebte ihr Lächeln, die Haltung ihres Kopfes, das aufblitzende Feuer in ihren Augen, ihre schmollend vorgeschobene Unterlippe. Er war ein Mann, der immer alles unter Kontrolle haben wollte und doch brachte ihn Hannah aus dem Gleichgewicht. Hannah konnte man nicht unter Kontrolle
haben. Sie war wie der Wind, unberechenbar und nicht zu fassen. Jedes Mal glitt sie ihm durch die Finger, bevor er sie einfangen und festhalten konnte.
Die wenigsten Leute gingen ihm unter die Haut, aber sie verstand es, ihn wütend zu machen. Sie konnte ihn aber auch mit einer einzigen Berührung beschwichtigen. Es machte ihn glücklich, sie einfach nur anzusehen, sie bei den alltäglichsten Handgriffen zu beobachten, und doch wollte er sie die Hälfte aller Zeit übers Knie legen und ihr das herrlich geformte Hinterteil versohlen. Hannah war kompliziert und er brauchte das Unkomplizierte. Sie war brillant und er war ein reines Muskelpaket. Sie war ätherisch und unnahbar, die schönste Frau, die er jemals gesehen hatte – sie war einfach märchenhaft und für ihn vollkommen unerreichbar.
Sie würde wütend auf ihn sein, weil er sich schon wieder in eine Lage gebracht hatte, in der auf ihn geschossen wurde. Vor allem, da das letzte Mal erst wenige Wochen zurücklag und er ohne sie gestorben wäre. Der Versuch, ihn zu retten, hätte auch sie beinah das Leben gekostet. Tagelang hatte sie ununterbrochen an seinem Bett gesessen, ihm ihre Kraft eingeflößt und nichts für sich selbst zurückbehalten. Er war zu schwach gewesen, um sie von sich zu stoßen. Er hatte sie in so vieler Hinsicht an seiner Seite gebraucht, aber es war höllisch gewesen zu beobachten, wie blass und zerbrechlich sie wurde, während seine Kraft zunahm.
Und wie hatte er es ihr hinterher gedankt? Gewiss nicht so, wie sie es verdient hätte, so viel stand fest. Er war gereizt und unruhig gewesen, verdrossen und übellaunig. Als der Boss der geheimen Spezialeinheit, für die er früher gearbeitet hatte, sich Hilfe suchend an ihn gewandt hatte, hatte er die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Lieber sah er dem Tod ins Auge wie ein trotziges Kind. Und all das nur, weil er sie so sehr liebte, dass es die reinste Folter war. Außerdem wusste er, dass er sie niemals haben und gleichzeitig sein Leben wie bisher weiterführen
konnte. Es war nicht etwa so, dass Hannah Einwände gegen die Gefahren erheben würde, denen er sich aussetzte – falls sie ihn überhaupt jemals nahm. Für ihn kam es nicht in Frage, sie in Gefahr zu bringen. Im Lauf der Jahre hatte er sich genug Feinde gemacht und einer von ihnen würde ihn sich früher oder später zwangsläufig vorknöpfen – verdammt, es war doch schon mehr als einmal passiert.
Er holte Atem und bemühte sich, nicht zusammenzuzucken. »Okay. Du könntest Recht haben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie etwas damit zu tun hatte.«
Jackson zog eine Augenbraue hoch. »Nicht ausgeschlossen«, sprach er ihm nach.
Jonas sah ihn finster an. »Mach nur so weiter. Dann bekommst du für die nächsten zehn Monate die Schichten zugeschanzt, die keiner haben will.« Das war eine leere Drohung, aber mehr hatte er nicht in der Hand. Er fühlte sich so verflucht müde und ausgelaugt, dass er sich am liebsten eine Zeit lang verkrochen hätte, aber er wusste, was auf ihn zukam
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