Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
fortsetzte und scheinbar selbst erfahrene Magieanwender ihrem unsichtbaren Feind nicht gewachsen waren, ließ ein dumpfes Gefühl der Angst in ihm aufsteigen. Er fragte sich, ob er sich in seinem Übereifer, anderen zu helfen, nicht übernommen hatte. »Haben Sie einen Verdacht, warum Crowley von dem Franzosen getötet wurde?«, erkundigte er sich, um sich abzulenken.
»Crowley war ein Unterstützer Dunholms, daran besteht kein Zweifel«, antwortete Randolph. »Sie werden nicht viele innerhalb des Ordens finden, die diese Worte laut auszusprechen wagen, aber ich glaube, dass es sich hier um einen brutalen und sehr genau geplanten Versuch handelt, die wichtigsten Männer des konservativen Lagers des Silbernen Kreises auszuschalten, um die Bewegung des Neuen Morgens zu stärken.«
»Ein Umsturzversuch?«, fragte Jonathan.
Randolph nickte. »Darauf wette ich.«
»Aber zeichnen sich Umstürze denn nicht normalerweise dadurch aus, dass sie rasch und konzentriert über die Bühne gehen? Eine Mordserie wie diese hat doch nur zur Folge, dass die verbliebenen Mitglieder des Ordens näher zusammenrücken.«
»Vielleicht entwickelt sich nicht alles so, wie diese Verbrecher es sich vorgestellt haben«, brummte sein Begleiter. »Möglicherweise musste Crowley auch nur deshalb sterben, weil er ihrem Vorhaben unerwartet in die Quere gekommen ist.«
»Wo Sie gerade davon sprechen: Was haben wir eigentlich vor?«
Randolph lenkte die Kutsche durch den dichten Verkehr am Picadilly Circus und bog in die Regent Street ein, die sie zum Regent’s Park und damit zu Holmes’ Domizil bringen würde. »Wir werden ein Aufspürritual durchführen.«
»Um den Franzosen zu finden? Wieso haben wir das nicht schon gestern gemacht?«
Randolph sah ihn an, als hätte Jonathan keine dümmere Frage stellen können. »Weil wir gestern noch keinen Gegenstand der Täter besaßen. Und genau genommen versuchen wir auch nicht den Franzosen selbst aufzuspüren, sondern einen seiner Schergen – denjenigen nämlich, der in Crowleys Haus seinen Hut verloren hat.«
20. April 1897, 14:22 Uhr GMT
England, London, Park Square
»Das Prinzip ist ganz einfach, Mister Kentham«, dozierte Holmes mit hinter dem Rücken zusammengelegten Händen. Jonathan hatte sich mit ihm und Randolph im Arbeitszimmer um den großen Tisch versammelt, auf dessen Tischplatte fast genau in der Mitte ein unscheinbar wirkender schwarzer Bowler lag. »Wenn ein Gegenstand lange an einem Ort verbracht hat, also beispielsweise auf dem Kopf unseres Gesuchten, so prägt sich ihm das Fadenmuster dieses Ortes gewissermaßen ein, und er wird instinktiv versuchen, dieses Fadenmuster wiederzufinden, wenn er es verloren hat. Instinktiv meine ich dabei im absolut buchstäblichen Sinne, denn nur ein von Bewusstsein beseelter Körper ist imstande, Spürfäden auszubilden, die ausgeprägt genug sind, um von uns Magieanwendern erkannt und verfolgt zu werden.
»Dieser Hut wirkt nicht sonderlich von einem Bewusstsein beseelt«, stellte Jonathan trocken fest.
»Wohl wahr«, bestätigte Holmes. »Zumindest noch nicht. Hier kommt nun die Magie ins Spiel. Dass die Magie eine schöpferische, wenngleich chaotische Kraft ist, haben Sie bereits gestern gelernt. Dass sie deshalb imstande ist, tote Dinge wie Stein zu beleben, durften Sie – wenn ich dem, was Mister Brown mir während seines ersten Besuchs vorhin erzählt hat, Glauben schenken darf – ja schon am eigenen Leibe erfahren. Diese Eigenschaften der Magie vermag sich der kundige Anwender nutzbar zu machen, indem er unbelebte, gewöhnliche Gegenstände einer mehr oder minder starken Magiequelle aussetzt, um sie auf diese Weise zu erwecken.«
»Wieso haben wir dann nicht die Kugel verwendet, die Randolph mitgebracht hat? Sie entstammt doch offensichtlich dem Gewehr des Franzosen, sollte uns also dorthin zurückführen können.«
»Sie war nicht lange genug im Gewehrlauf, um dazu eine Verbindung aufzubauen. Und bevor Sie fragen: Die Munitionsschachtel hat der Franzose mittlerweile längst verbrannt. Er ist ja nicht dumm. Auch er weiß um das Konzept von Aufspürritualen. Ganz abgesehen davon ist es umso leichter, je größer ein Gegenstand ist. Eine Kugel ist zu klein, um ein nennenswertes Bewusstsein zu entwickeln.«
»Also schön«, lenkte Jonathan ein. »Wie komme ich ins Spiel? Ich bin kein kundiger Magieanwender.«
»Nein, Sie sind die Magiequelle«, eröffnete ihm Holmes und lächelte milde.
»Wie darf ich das denn verstehen?«
Randolph
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