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Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone

Titel: Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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gekündet, und ein ums andere Mal hatte er sich gefragt, ob es ihm wohl gelingen könne, die Illusionen, die dort auf der Bühne gezeigt wurden, zu durchschauen.
    Denn im Gegensatz zu vielen seiner Altersgenossen glaubte Richard nicht an Magie. Das lag zum Teil sicher daran, dass er für einen Knaben seines Alters außergewöhnlich intelligent war. Schon früh hatten seine Eltern, liberale Angehörige der gehobenen Londoner Mittelschicht, diese Begabung ihres Kindes entdeckt und durch Privatunterricht zu fördern gewusst. Dabei hatten gerade die naturwissenschaftlichen Unterweisungen seines Vaters, eines Mitglieds der Royal Society, einen bleibenden Eindruck hinterlassen. »Es existiert nichts Unerklärliches zwischen Himmel und Erde«, pflegte sein Vater zu sagen. »Es gibt nur Fragen, deren Antworten sich einem nicht ohne Weiteres erschließen, sondern nach denen man forschen muss. Ein scharfer Verstand, ein genaues Auge und ein unermüdlicher Lerneifer – das sind unsere besten Verbündeten in unserem Bestreben, zu verstehen, was die Natur im Innersten zusammenhält.«
    Ganz so hehre Ziele hegte Richard mit seinen zehn Jahren noch nicht, auch wenn seine genaue Beobachtungsgabe und sein unermüdlicher Drang, Wissen anzusammeln, ihn zweifellos auf eine eindrucksvolle Karriere in den Fußstapfen seines Vaters vorbereiteten. Stattdessen – und hierin lag der andere Grund für seine Ablehnung gegenüber dem Übernatürlichen – hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, alle Rätsel des Alltags zu lösen, mit denen er konfrontiert wurde, also etwa das Geheimnis zu lüften, wo sich sein vier Jahre älterer Bruder James, das »Sorgenkind«, wie ihn die Tanten hinter vorgehaltener Hand bezeichneten, an Samstagabenden herumtrieb. Dabei kam er sich vor wie dieser berühmte Londoner Detektiv, dessen Abenteuer von seiner Mutter in Fortsetzungen im Strand Magazine verfolgt wurden. Der Name war ihm entfallen.
    »He, mein Junge, träumst du?«
    Die dröhnende Stimme seines Onkels holte Richard in die Wirklichkeit zurück. Sie saßen im überfüllten Zuschauerraum des Zaubertheaters, auf Holzstühlen mit abgegriffenen Lehnen, und warteten gemeinsam mit knapp hundert anderen Gästen auf den Beginn der Vorstellung. Die gut gefüllte Geldbörse oder aber die vielfältigen Verbindungen seines Onkels hatten ihnen Sitzplätze in der ersten Reihe beschert, was Richard eine ausgezeichnete Sicht auf die leicht erhöhte Bühne ermöglichte, die im Augenblick noch durch einen schweren karmesinroten Vorhang vom Zuschauerraum abgetrennt war. »Nein, Onkel Thomas. Ich schaue mir die Bühne an.«
    »Wozu das denn?«
    Richard warf ihm einen ernsten Blick zu. »Ich versuche herauszufinden, ob es verborgene Falltüren oder Spiegel gibt, die während der Vorstellung zum Einsatz kommen könnten, um die Illusion von Magie hervorzurufen.«
    Einen Augenblick lang starrte sein Onkel ihn verwundert an, dann brach er unvermittelt in Gelächter aus. »Du bist ein kleiner Teufelsbraten!« Mit seiner kräftigen Rechten zerzauste er Richards Haar und wandte sich kopfschüttelnd ab.
    Der Junge schnitt heimlich eine Grimasse und versuchte, seine Frisur wieder in Ordnung zu bringen.
    In diesem Moment ertönte eine Fanfare. Der leicht blecherne Ton verriet Richards scharfem Verstand, dass es sich um eine nicht mehr ganz neue Grammofonaufnahme handelte, die irgendwo hinter dem Vorhang abgespielt wurde. Ein Scheinwerfer ging an, und ein Mann mittleren Alters in einem schwarzen Smoking trat ins Rampenlicht. »Ladies and Gentlemen!«, rief er mit lauter Stimme. »Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Vorstellung im White House. Sind Sie bereit, zu staunen? Sind Sie bereit sich verzaubern zu lassen? Dann begrüßen Sie einen Mann, der die Kunst der Illusion auf seinen weiten Reisen um den ganzen Erdball zur Meisterschaft gebracht hat. Und heute ist er hier, um Ihnen seine Magie vorzuführen. Einen herzlichen Applaus für den unglaublichen … den außergewöhnlichen … den großen Magister Hieronymus Brazenwood!«
    Bei den letzten Worten hob sich der Vorhang und das Publikum fing an zu klatschen, doch gleich darauf setzte Gemurmel ein, denn außer einer einfachen Holztür, die mitten auf der Bühne stand, war nichts zu sehen.
    »Du meine Güte!«, rief der Theaterbesitzer scheinbar überrascht. »Wo ist er denn?« Er öffnete mit übertriebener Geste die Tür und zeigte, dass sich dahinter nur ein schmaler Streifen leere Bühne und die getünchte und

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