Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
nicht länger darüber nachgedacht …
Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er erst verspätet bemerkte, wie unruhig es im Publikum geworden war.
»Grundgütiger!«, entfuhr es Onkel Thomas neben ihm.
Der Junge blickte auf und sah, dass Brazenwood auf der Bühne in sich zusammengesunken war. Vornübergebeugt stand er da, die linke Hand schwer auf den Tisch gestützt, die Finger der Rechten an die Stirn gepresst, als plage ihn entweder ein furchtbarer Schwindel oder ein grässlicher Kopfschmerz. Er hatte die Augen geschlossen, und das Gesicht war zur Grimasse verzerrt.
»Einen Arzt! Wir brauchen einen Arzt!«, drang ein Ruf aus dem Publikum.
Der Gehilfe des Zauberkünstlers kam mit besorgter Miene auf die Bühne geeilt, stützte seinen Meister und führte ihn zu einem Stuhl, den der nicht minder aufgeregte Theaterbesitzer herbeigetragen hatte. Während der große Magister Hieronymus Brazenwood, der in diesem Augenblick gar nicht mehr so groß wirkte, sondern einfach nur wie ein gebrechlicher alter Mann, auf den Stuhl niedersank und den Kopf in den Händen barg, trat der Theaterbesitzer mit hängenden Schultern an den Bühnenrand und sprach: »Ladies and Gentlemen! Ich bitte vielmals um Entschuldigung für diesen Zwischenfall, aber wie Sie selbst sehen können, hat der Magister Hieronymus Brazenwood einen Schwächeanfall erlitten. So etwas geschieht, wie Sie wissen, nicht häufig, aber auch ein Künstler kann einmal von seinem Körper im Stich gelassen werden. Ich bedaure dies außerordentlich, aber ich fürchte, unter diesen Umständen werden wir die Vorstellung …« Er wandte sich mit fragender Miene zu dem Zauberkünstler um. »… nicht fortsetzen können …«
Da jedoch hob Brazenwood eine Hand. Er atmete tief ein und wieder aus und erhob sich von dem Stuhl. Er wechselte noch leise ein paar Worte mit seinem Gehilfen, nickte anschließend knapp, wandte sich wieder dem Publikum zu und schenkte ihm ein Lächeln.
»Oder vielleicht doch!«, rief der Theaterbesitzer erleichtert, der sich offenkundig schon Sorgen um seine Einnahmen und das Gerede gemacht hatte. »Da sind wir wieder! Applaus für den Magister Hieronymus Brazenwood!«
Das Publikum kam der Aufforderung stürmisch nach, und nach einer dankbaren angedeuteten Verbeugung setzte der Zauberkünstler seine Darbietung fort.
Die Vorstellung dauerte bis kurz vor neun. Der Höhepunkt war schließlich eine Nummer, bei der sich ein zufällig aus dem Publikum ausgewählter junger Mann in einen Kasten stellte und dort in Luft auflöste. Kaum hatten die Zuschauer allerdings zu einem beifälligen Gemurmel angesetzt, da stolperte der junge Mann plötzlich sichtlich verwirrt durch die Eingangstür am anderen Ende des Saals wieder herein.
Während hinter ihm die Menschen in begeisterte Hochrufe ausbrachen, runzelte Richard die Stirn. Dieser Trick war wirklich gut gewesen, auch wenn … Er drehte sich um und musterte den Mann, der soeben seinen Platz wieder einnahm. Er wirkte weder verschwitzt noch abgehetzt. Abgesehen davon war die Zeitspanne auch viel zu kurz gewesen, um den Weg von der Bühne zur Tür zurückzulegen, selbst wenn es unter dem Zuschauerraum einen Gang gegeben hätte. In diesem Moment kam ihm der Vogeltrick wieder in den Kopf – dort hatte es eindeutig ein zweites Tier gegeben. Wenn es hier also auch einen zweiten Mann gab, einen Zwilling oder einen Doppelgänger? Dann würde das bedeuten, dass auch der zufällig aus dem Publikum gewählte Freiwillige Teil der Nummer gewesen war. Allmählich dämmerte Richard das Ausmaß der Täuschung, das an diesem Ort Abend für Abend geboten wurde.
»He, Junge!« Onkel Thomas boxte ihm gegen den Arm. »Amüsierst du dich auch, oder starrst du nur verdrießlich in der Gegend herum?«
Richard rieb sich den schmerzenden Arm und grinste gequält. »Nein, Onkel Thomas. Es ist faszinierend.«
»Faszinierend?!« Sein Onkel grunzte belustigt. »Du bist mir einer …«
Doch dem Jungen war nicht zum Lachen zumute. Brazenwoods Schlussnummer hatte ihn erneut an den Vogeltrick erinnert, und einmal mehr schweifte sein Blick zu dem runden Holztisch, der neben ein paar Utensilien, die der Zauberkünstler benutzt hatte, am Rand der Bühne stand. Der verschwundene Mann war zweifellos durch eine Falltür im Boden aus der Kiste entkommen, in die man ihn gesteckt hatte. Doch der kleine gelbe Vogel …? Richard musste es einfach wissen.
Daher stand er, kaum dass der Magister mit ein paar geschliffenen Schlussworten
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