Magische Verführung
am Boden. »Zieh dir schnell was an. Ich wisch das hier schon auf und geh dann wieder auf Patrouille.«
»Hier.« Aus einer Dose nahm sie einen Muffin und gab ihn Nate. »Habe ich für die Kinder gemacht.«
Er biss hinein. »Dann hab ich ja Glück, dass ich zuerst hier war.«
Der Schmerz bohrte sich wie tausend Messer in ihre Brust, doch Tamsyn riss sich zusammen, bis er gegangen war.
Dann setzte sie sich aufs Bett und begann hemmungslos zu weinen. Sie weinte nicht aus Frust oder verletzter Eitelkeit, es waren Tränen eines gebrochenen Herzens.
Juanita hatte falsch gelegen. Durch den Paarungstrieb war Nate vielleicht gezwungen, sie zu wollen, aber im Grunde empfand er sie nicht als sexy und attraktiv. Bei ihr fühlte er sich wohl - das war's aber auch schon.
Warmherzige, treue Tamsyn. Wenn sie nicht durch den Bund aneinandergeschweißt wären, hätte er sie wahrscheinlich keines zweiten Blickes gewürdigt.
Stundenlang hätte sie hier auf dem Bett verbringen können, aber sie wollte die Kinder nicht enttäuschen. Also stand sie auf und zog sich an. Ein Blick in den Spiegel bestärkte sie noch in ihrer Einschätzung. In ihrer alten Jeans mit einem dicken weißen Wollpulli, die Haare einfach nur zum Pferdeschwanz gebunden sah sie jung aus und ...
unscheinbar.
Sie war keine Verführerin. Vernünftig und verlässlich war sie, die Jugendlichen kamen zu ihr und baten sie um Hilfe, da sie allen Problemen ganz vorurteilsfrei begegnete. Selbst Mütter wollten Tipps von ihr, wie sie ihren ungestümen Nachwuchs bändigen sollten. Sogar gestandene Männer wandten sich mit rudelinternen Fragen an sie.
Denn Tamsyns ausgeglichene Art und ihr treues Herz schufen Vertrauen. Das war ja alles schön und gut, nur dass sie von Nate nicht so gesehen werden wollte. Er sollte in ihr die aufregende Geliebte sehen.
Aber das tat er nicht. Und diese Enttäuschung wog so schwer, dass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.
Dann vernahm sie helle Kinderstimmen. Sofort übernahm die Heilerin das Kommando; für Selbstmitleid war jetzt keine Zeit. Sie wischte sich die Tränen weg, ging ins Badezimmer und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht.
Dann nutzte sie ihre Heilkräfte, um ihre geröteten Augen loszuwerden.
Es klingelte an der Tür.
Sie setzte ein gekünsteltes Lächeln auf, ging nach unten und öffnete die Tür. Beim Anblick der strahlenden und erwartungsvollen Gesichter der Kinder wurde aus ihrem aufgesetzten ein echtes Lächeln, doch für das blutende Herz ihrer Leopardin gab es kein Heilmittel.
Am gleichen Tag noch sah Nate sie wieder, doch es waren inzwischen Stunden vergangen, und sie saßen gemeinsam mit anderen bei ihr in der Küche zum Abendessen. Tamsyn hatte es vermieden, sich neben ihn zu setzen, und er hatte dafür Verständnis. Denn seit heute Morgen spürten sie den anderen noch intensiver; Nate hatte bald nur noch ihren sinnlichen Geruch in der Nase. Sie übertraf seine kühnsten Träume - ihr Lächeln, ihr bissiger Humor, den sie nur ihm gegenüber zu zeigen schien, und dann erst ihr Körper - und sie war sein.
Die Katze hätte ihren Anspruch am liebsten laut hinausgebrüllt, doch Nate riss sich zusammen. Er würde warten.
Warten ... vielleicht doch nicht ganz so lange wie zunächst geplant. Mindestens ein halbes Jahr Freiheit würde er ihr noch zugestehen, da hätte sie Zeit, ein paar ihrer Träume noch zu leben. Wenn sie wollte, konnte sie auch ein wenig umherstrolchen, die Wildnis erkunden. Vielleicht nicht ganz ungefährlich, aber Tamsyn war klüger und reifer als die meisten anderen jungen Leopardinnen. Sie würde schon zurechtkommen.
Der Raubkatze in ihm gefiel die Vorstellung, von Tamsyn getrennt zu sein, überhaupt nicht, aber es musste sein.
Schließlich sollte sie ihm nicht eines Tages vorwerfen, er hätte ihr das Leben geraubt, so wie seine Mutter seinem Vater damals. Tamsyn war sein Leben. Der Gedanke, ihrer Seele Gewalt anzutun, war sein persönliches Schreckgespenst.
»Isst du heute auch noch was, oder starrst du den ganzen Abend nur Tammy an?« Juanita reichte ihm die Kartoffeln.
»Ich starre, so viel es mir passt.« Immerhin war es sein gutes Recht.
Juanita verdrehte die Augen und rief zu Tamsyn hinüber: »Was ist denn eigentlich mit dem Kleid, das du heute Abend anziehen wolltest?«
Tamsyn wurde rot. »Ich habe es mir anders überlegt.«
»Du siehst doch nett aus.« In ihren schwarzen Hosen und der blassblauen Strickjacke wirkte sie sanft und weich.
Streichelzart. Verdammt!
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