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Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert

Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert

Titel: Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Henkel
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gar nicht so leicht zerfetzen. Wir kämpften minutenlang schweigend, bis das rote Leder endlich nachgab, dann schleuderten wir sie auf den Boden.
    Dort lagen sie wie tote rote Nacktschnecken. Mit türkisfarbenen Köpfen.
    Schweiß lief mir über den Rücken und die Schläfen hinunter. Mir wurde schlecht. Aber das war noch nicht alles. Suse, inzwischen mit hochrotem Kopf, durchwühlte ihre Schreibtischschublade, bis sie ein Stück giftgrüne Kreide fand.
    Und damit zog sie eine dicke fette Linie auf den Boden mitten durch unser Zimmer. »Ab jetzt bleibst du auf deiner Seite und ich auf meiner«, verkündete sie, als sie sich wieder aufgerichtet hatte. Sehr leise sagte sie das, aber die Worte klangen furchterregender als alles, was sie mir vorher an den Kopf geschleudert hatte.
    Dann warf sie sich auf ihr Bett und drehte mir den Hintern zu. Ich glaube, sie heulte, weil ihr Rücken zuckte, aber ich schaute nicht so genau hin, sondern legte mich ebenfalls auf mein Bett und starrte an die Decke. Mein Herz fühlte sich an wie ein roher Klumpen Fleisch. Es dauerte natürlich nicht lange, bis es zaghaft an unsere Tür klopfte. Keine von uns antwortete.
    Meine Mutter und Tante Jenny kamen herein.
    »Ähm«, sagte Tante Jenny.
    »Was war denn das gerade?«, fragte meine Mutter. »Ihr habt so laut geschrien, dass wir unten die Gläser in den Schränken festhalten mussten.«
    Ha-ha. Keine von uns antwortete. Leider gaben sie aber nicht so schnell auf. Stattdessen betrachtete meine Mutter die grüne Linie auf dem Boden und fragte: »Was ist denn das bitte schön?«
    »Wenn du’s genau wissen willst«, ich deutete mit dem Finger zu Suse rüber, »ihre Seite. Meine. Dazwischen: Todesstreifen.«
    »Das kann doch nicht euer Ernst sein.« Nun tauchte auch noch mein Vater im Türrahmen auf. »Okay, ich schätze, es wird wirklich höchste Zeit, den Dachboden auszubauen. So kann das nicht weitergehen.«
    »Echte Freundschaft hält das aus«, meldete sich jetzt Opa zu Wort, der sich auf Zehenspitzen stellte, um einen Blick in unser Zimmer zu erhaschen. Fehlten nur noch Greg und Laila, dann wären wir vollzählig.
    »Raus!«, rief ich.
    »Privat!«, schrie Suse.
    Ohne es zu wollen, waren wir uns einig.
    »Okay. Aber so ein Gebrüll will ich nicht mehr hören. Wundert mich, dass Laila davon nicht aufgewacht ist. Und gleich gibt es Abendessen!« Meine Mutter knallte die Tür hinter sich zu.
    Da wachte Laila auf und fing an zu kreischen.
    Notiz an mich selbst: Echte Freundschaft kann mich kreuzweise.

16. Kapitel
    Die nächsten Tage waren grauenvoll. Immer wieder überlegte ich, über meinen Schatten zu springen und mit Suse zu sprechen. Aber manchmal überlegt man so lange, bis es zu spät ist. Wir versuchten, uns möglichst selten gleichzeitig in unserem Zimmer aufzuhalten. Da noch immer klasse Wetter war, verbrachte ich viel Zeit in unserem Garten oder im Baumhaus, wo ich verschiedene Texte schrieb. Ich wusste noch immer nicht, was ich bei MusicStars singen sollte. Alles, was mir einfiel, war viel zu persönlich. Und voller Wut oder Hass oder Traurigkeit und so weiter. Ich erschrak über mich selbst. Einen Song nahm ich sogar auf und mixte den Refrain einer meiner Lieblingstitel von Kelis drunter.
    Hass dich im Moment so sehr,
das Gefühl groß wie ein Meer,
kann’s mir nich erklärn, Mann,
weiß nicht, wie und wann es begann.
I hate you so much right now
I hate you so much right now
Aaaaaah!
So viel Wut und Schmerz und Hass.
So viel, so laut, so stark, so krass,
hab keinen Bock mehr auf deine Spiele,
auf einmal haben wir verschiedne Ziele.
I hate you so much right now
I hate you so much right now
Aaaaaah!
Sprichst wie sie, ein Band um den Finger,
übst Flickflacks und Twists und so Dinger,
sagst, dass ich gestorben bin,
malst ne Grenze aufn Boden hin.
I hate you so much right now
I hate you so much right now
Aaaaaah!
Eh, du kannst mich mal, das ist nicht fair.
Mein Herz erfriert, ich kann nicht mehr…
    Der Song klang aufgenommen nicht mal schlecht. Meine Stimme überraschte mich selbst, weil sie so dunkel war, richtig erwachsen, ich hatte die Worte echt gut phrasiert und zum Schluss das mit dem erfrierenden Herzen und dass ich nicht mehr kann mit so einem traurigen, verhauchten Vibrato versehen. Ich war schwer zufrieden, aber trotzdem konnte ich so was vor der ganzen Schule auf keinen Fall singen. Erstens würde sowieso keiner kapieren, was ich damit meinte. Zweitens ging es niemanden was an.
    Morgens war Suse meist schon weg, wenn ich

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