Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert
vor.
Also kramte ich zögerlich mein Heft hervor und drehte mich zu Suse um, die in aller Ruhe eine SMS tippte, und da war er, der Ananasgeruch. Ich runzelte die Stirn… konnte es sein, konnte es wirklich sein…?
»Das geht doch nicht, ich habe heute Geburtstag!«, sagte ich, lauter als ich eigentlich wollte.
»Schön, Luna, ich gratuliere dir später«, erwiderte die Landkarte lächelnd. So können wirklich nur Mathelehrer lächeln.
»Scheiße«, stöhnte ich.
»Luna! Diese Wortwahl verbitte ich mir«, rief sie. »Wird schon nicht so schlimm sein.«
»Wenn Sie wüssten.«
Die Landkarte ging mit ihrem typischen Lehrerinnen-Stampfschritt durch die Reihen und teilte die Aufgabenblätter aus. »Und jetzt Ruhe bitte. Ihr habt genau eine Dreiviertelstunde Zeit.«
Kristen zupfte an ihrem kurzen Haar, beugte sich vor und legte wie immer den Arm so, dass ich nicht von ihr abschreiben konnte. Weil mir ja nichts anderes übrig blieb, betrachtete ich die erste Aufgabe:
12(2x+1)-15(x+3)=5(1-x)+32
Leider habe ich mit Mathematik genauso wenig am Hut wie die Landkarte mit Mode, sonst hätte sie niemals solche wild gemusterten knallbunten Röcke getragen.
»Psst, Luna«, flüsterte Suse von hinten. »Klammern auflösen, die Variablen auf die linke Seite, die konstanten Zahlen auf die rechte, zusammenfassen, nach X auflösen.«
»Wie bitte, was?« Ich verstand kein Wort .
»Suse, Luna, noch einen Ton und ihr fliegt raus«, knurrte die Landkarte vom Pult aus.
Früher saß ich neben Suse, aber die Landkarte, die nicht nur unsere Mathe-, sondern leider auch unsere Klassenlehrerin ist, hat Suse Anfang des Schuljahrs einen Tisch hinter mich gesetzt, weil wir ihrer Meinung nach zu viel gequatscht haben. Einmal fragte sie, ob sie uns vielleicht auch ein Stück Kuchen servieren dürfe. Wir nickten zustimmend, komplett in unser Gespräch vertieft, und seitdem sitze ich neben Kristen und Suse ganz allein hinter uns.
Ich hielt zwanzig Minuten durch – es waren die längsten zwanzig Minuten meines Lebens. Zwar kritzelte ich ein paar Lösungsansätze in mein Heft, meine Gedanken aber kreisten die ganze Zeit nur darum, dass ich plötzlich ein Freak geworden war. Ein Freak, der die Zukunft träumt wie in einem echt schlechten Fantasyfilm. Noch schlimmer aber war, dass mich Henri in der großen Pause um 10 Uhr 10… ich spähte auf meine Uhr – also in exakt fünfundzwanzig Minuten fragen würde, ob ich in seiner Band mitsinge. Und dass ich dann vor lauter Schreck umkippen würde.
Das durfte auf gar keinen Fall geschehen! Mit Entsetzen fiel mir nämlich ein, dass ich zwar unbewusst nicht mein grünes Palmen-T-Shirt, dafür aber doch mein Höschen des Horrors angezogen hatte. Wie konnte man nur so bescheuert sein? Somit saß ich ziemlich tief in der Tinte.
Inzwischen war die Luft im Klassenzimmer zum Schneiden dick und unter Kristens grünem T-Shirt-Ärmel, der mir nach wie vor die Sicht versperrte, wehte Schweißgeruch hervor direkt in meine Nase. Auf einmal wusste ich, was ich zu tun hatte. Es gab nur eine einzige Lösung: Wenn ich nicht in die Cafeteria ging, dann konnte Henri mich nicht ansprechen und ich würde nicht ohnmächtig werden. Also packte ich meine Sachen ein, stand auf und knallte der Landkarte mein Heft vor die Nase.
»Luna!«, rief sie verdutzt. »Schon fertig?«
»So was in der Art. Ich muss jetzt dringend nach Hause. Mir ist ganz schlecht.« Ich beugte mich etwas vor und röchelte wie zum Beweis, dann riss ich die Augen auf, damit sie das Weiße darin sehen konnte.
Kurz bevor ich aus dem Klassenzimmer rannte, drehte ich mich an der Tür noch einmal um und fing Suses Blick auf. Ich hob die rechte Hand mit gestrecktem Zeigefinger und legte den linken Zeigefinger quer darüber, sodass sich ein T ergab. Das heißt so viel wie »Toilette. Reden. Sofort!« Suse nickte unauffällig und beugte sich dann wieder über ihren Test.
Ich hockte auf der Fensterbank im Vorraum der Toilette und wartete. Immer wieder sprang ich runter und spritzte mir Wasser ins Gesicht. Wie meistens gab es keine Papierhandtücher. Es dauerte keine fünf Minuten, da kam Suse hereingestürmt.
»Was ist los?«, rief sie schon, bevor sie mich überhaupt sehen konnte. »Ah, da bist du«, sagte sie, als sie mich entdeckte, und hievte sich neben mich auf die Fensterbank. »Mann, du bist ja klitschnass geschwitzt. Musst du brechen?«
Mir war tatsächlich etwas übel, doch das hatte nichts mit meinem Magen zu tun. »Ist nur Wasser«, beruhigte
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