Magisches Erbe
21
Irgendein Teil von mir flehte darum, dass ein Irrtum vorliegen müsse. Ich sah mir die Aufnahme noch drei Mal an, während mir die wildesten Theorien durch den Kopf schwirrten. Vielleicht hatte Master Jameson einen Zwilling, der kein vampirhassender Fanatiker war. Nein. Das Video log nicht. Das taten nur die Alchemisten.
Ich konnte diesen Umstand nicht ignorieren. Ich konnte auch nicht warten. Ich musste sofort etwas unternehmen. Wenn nicht früher.
Ich schickte Marcus sofort nach der Landung eine SMS . Wir treffen uns heute Abend. Keine Spielchen. Kein Ausweichen. HEUTE ABEND .
Als ich zu meinem Wohnheim zurückkam, war keine Antwort von ihm da. Was machte dieser Kerl bloß? Las er schon wieder Der Fänger im Roggen? Wenn ich gewusst hätte, in welcher Kneipe er sich verschanzte, wäre ich auf der Stelle dorthin marschiert. So konnte ich nichts tun als warten, also rief ich Ms Terwilliger an, sowohl zur Ablenkung als auch, um mir ein wenig Freiheit zu erkaufen.
»Keine besonderen Vorkommnisse«, erklärte sie mir zur Antwort. »Hier heißt es immer noch abwarten und Tee trinken – obwohl Ihr zusätzliches Amulett fast fertig ist.«
»Das ist nicht der Grund, warum ich anrufe«, sagte ich. »Sie müssen mir heute Abend eine Verlängerung der Sperrstunde verschaffen.« Ich fühlte mich mies, dass ich sie für etwas benutzte, das absolut nichts mit unserer Arbeit zu tun hatte, aber mir blieb keine Wahl.
»Oh? Statten Sie mir einen unerwarteten Besuch ab?«
»Äh – nein. Es ist für etwas anderes.«
Sie fand das offenbar komisch. »Jetzt benutzen Sie meine Hilfe für persönliche Belange?«
»Meinen Sie nicht, ich hätte es verdient?«, konterte ich.
Sie lachte, was ich von ihr schon seit einer Weile nicht mehr gehört hatte. Sie stimmte meiner Bitte zu und versprach, sofort am Empfangstisch des Wohnheims anzurufen. Sobald wir aufgelegt hatten, klingelte mein Telefon mit der erwarteten SMS von Marcus. Die Nachricht enthielt nichts als eine Adresse, die eine halbe Stunde entfernt war. In der Annahme, dass er jetzt für mich bereit war, schnappte ich mir meine Kuriertasche und machte mich auf den Weg.
Im Lichte der vorangegangenen Begegnungen mit Marcus hätte es mich nicht überrascht, wenn er mich zu einem Kaufhaus oder einer Karaokebar geführt hätte. Stattdessen stand ich vor einem Plattenladen, einem von der Art, die altes Vinyl verkaufte. Ein großes Geschlossen-Schild hing an der Tür, noch durch dunkle Fenster und einen leeren Parkplatz betont. Ich stieg aus dem Wagen, überprüfte noch einmal die Adresse und fragte mich, ob mich mein Navi in die Irre geführt hatte. Mein früherer Eifer wich jetzt Nervosität. Wie unvorsichtig war das? Eine von Wolfes ersten Lektionen bestand darin, zweifelhafte Situationen zu vermeiden, doch hier war ich und setzte mich einer unbekannten Gefahr aus.
Dann hörte ich etwas aus dem Schatten … jemanden, der meinen Namen flüsterte. Ich drehte mich zu dem Geräusch um und sah, wie sich Sabrina aus der Dunkelheit schälte. Wie üblich trug sie eine Waffe. Wenn ich ihr die in meinem Handschuhfach gezeigt hätte, so hätte es unser Wir-Gefühl vielleicht gestärkt.
»Geh hinten rum«, sagte sie. »Klopf an die Tür.« Ohne ein weiteres Wort zog sie sich in die Schatten zurück.
Die Rückseite des Gebäudes sah wie die Art von Ort aus, an dem man jeden Moment mit einem Raubüberfall rechnen musste, und ich fragte mich, ob mir Sabrina bei Bedarf zu Hilfe käme. Ich klopfte an die Tür und erwartete fast, nach Art eines Speakeasy nach einer Parole wie »verrosteter Leguan« oder so gefragt zu werden. Stattdessen öffnete Marcus die Tür mit seinem Lächeln, das mich offenbar auf seine Seite bringen sollte. Seltsamerweise beruhigte es mich heute Abend.
»Hey, meine Schöne, tritt ein.«
Ich ging an ihm vorbei und stellte fest, dass wir uns im Hinterzimmer des Ladens befanden, das voll war mit Tischen, Regalen und Kartons mit Schallplatten und Kassetten. Wade und Amelia standen an einer Wand in gleicher Haltung, die Arme vor der Brust verschränkt.
Marcus schloss hinter mir die Tür und sperrte ab. »Freut mich, dass du heil zurückgekommen bist. Deiner SMS – und deinem Gesicht – nach zu urteilen hast du etwas gefunden.«
Der ganze Zorn, der sich seit meiner Entdeckung in mir aufgestaut hatte, brach jetzt heraus. Ich holte meinen Laptop aus der Tasche und musste dem Drang widerstehen, ihn gegen einen Tisch zu schlagen. »Ja! Ich kann es nicht glauben. Ihr
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