Magisches Erbe
waren, aber ich dachte, dass zumindest ein paar von ihnen zum Essen erscheinen würden.« Um die Merkwürdigkeit des Ganzen zu betonen, fügte sie noch hinzu: »Schließlich ist das Frühstück im Preis inbegriffen.«
Da die nachtaktiven Moroi auch später noch alle im Bett lagen, fasste ich den Mut, an diesem Tag ein wenig die Stadt zu erkunden. Obwohl ich mich mit Stiefeln und einem schweren Mantel auf das Wetter vorbereitet hatte, war die Umstellung doch ein kleiner Schock. Palm Springs hatte mich verweichlicht. Ich gab schon bald wieder auf und verbrachte den Rest des Nachmittags mit der Lektüre von Ms Terwilligers Buch am Kamin. Ich verschlang den ersten Teil und las sogar den anspruchsvolleren Teil, von dem sie mir gesagt hatte, ich solle ihn überspringen. Vielleicht war es die Tatsache, dass es verboten war, aber ich konnte gar nicht aufhören zu lesen. Der Bereich, den das Buch beschrieb, war so fesselnd und aufregend, dass ich fast einen Satz in die Luft gemacht hätte, als es an der Tür klopfte. Ich erstarrte und fragte mich, ob ein verwirrter Moroi mein Zimmer mit dem eines Freundes verwechselt hatte. Oder schlimmer noch, mit dem eines Spenders.
Plötzlich klingelte mein Telefon; eine SMS von Stanton: Wir stehen vor Ihrer Tür.
Und tatsächlich, als ich öffnete, sah ich mich Stanton gegenüber – mit Ian Jansen, einem Alchemisten, der in meinem Alter war. Seine Anwesenheit war eine Überraschung. Ich hatte Ian nicht mehr gesehen, seit ich mit ihm und Stanton von Moroi festgehalten und zu der Flucht eines weiblichen Dhampirs befragt worden war. Damals war Ian in mich verknallt gewesen, was mir gar nicht gefallen hatte. Dem debilen Grinsen auf seinem Gesicht nach zu urteilen, hatte sich daran nichts geändert. Ich winkte sie herein und achtete darauf, die Tür abzuschließen. Wie ich hatten die beiden Alchemisten goldene Lilien-Tätowierungen auf der linken Wange. Es war das Zeichen unseres Ordens: Tätowierungen, die Vampirblut enthielten und unsere Wunden rasch heilen ließen. Sie hinderten uns auf magische Weise daran, mit Leuten, die nichts von alchemistischen Angelegenheiten wussten, darüber zu sprechen.
Angesichts der herzförmigen Wanne zog Stanton eine Augenbraue hoch und ließ sich dann in einem Sessel am Feuer nieder. »Sie hatten keine Probleme, hierherzukommen?«
Abgesehen davon, dass ich mit einem gut aussehenden Vampir gereist bin, der glaubt, in mich verliebt zu sein?
»Nein«, antwortete ich und betrachtete Ian mit einem Stirnrunzeln. »Ich hatte nicht erwartet, dass du hier sein würdest. Ich meine, ich bin froh, dass du da bist, aber nach dem letzten Mal …« Ich hielt inne, als mir etwas klar wurde. Ich sah mich um. »Es sind … wir drei sind es. Wir drei, die, äh, unter Hausarrest gestanden haben.«
Stanton nickte. »Es wurde beschlossen, dass die Moroi, wenn wir gute Beziehungen zwischen unseren Gruppen pflegen wollen, damit anfangen würden, indem sie vor allem uns dreien Wiedergutmachung leisten.«
Ian verzog das Gesicht zu einer finsteren Miene, verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand. Er hatte braune Augen mit dazu passendem, ordentlich geschnittenem braunem Haar. »Ich will keine ›Wiedergutmachung‹ von diesen Monstern, nach dem, was sie uns im Sommer angetan haben. Ich kann noch nicht mal glauben, dass wir hier sind! Hier wimmelt es nur so von ihnen. Wer weiß, was passiert, wenn einer von ihnen heute Abend zu viel Champagner trinkt und sich auf die Suche nach einem Snack macht? Hallo, hier sind wir, frische Menschen.«
Ich wollte ihm sagen, dass das albern war, aber nach Alchemistenlogik war es eine durchaus berechtigte Sorge. Und nachdem ich mir ins Gedächtnis gerufen hatte, dass ich die meisten der Moroi hier nicht kannte, wurde mir klar, dass seine Ängste vielleicht doch nicht so unbegründet waren.
»Ich nehme an, wir werden zusammenbleiben müssen«, erwiderte ich. Das war allerdings die falsche Wortwahl, nach Ians glücklichem Lächeln zu schließen.
Die Alchemisten hatten nur selten soziale Zeit, und dieser Besuch jetzt war keine Ausnahme. Stanton kam schon bald zur Sache und ging unsere Pläne für die Hochzeit durch. Sie erklärte, was unsere Aufgabe hier sei. Ein Aktenordner lieferte Hintergrundmaterial über Sonya und Mikhail, als wüsste ich nichts über sie. Meine Mission mit Sonya hatten wir vor den anderen Alchemisten geheim gehalten, daher musste ich wegen Ian zu allem nicken, als sei es für mich genauso neu wie für ihn.
»Die
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