Magisches Erbe
Festlichkeiten werden wahrscheinlich fast bis zum Sonnenaufgang dauern«, sagte Stanton, die ihre Papiere einsammelte, sobald sie mit der Einweisung fertig war. »Ian und ich werden dann aufbrechen und Sie auf dem Weg aus der Stadt am Flughafen absetzen. Sie werden nicht noch eine Nacht hier verbringen müssen.«
Ians Gesicht nahm den Ausdruck eines finsteren Beschützers an. »Du hättest letzte Nacht nicht allein hier sein sollen. Du hättest jemanden haben sollen, der auf dich aufpasst.«
»Ich kann selbst auf mich aufpassen«, blaffte ich, ein wenig schroffer als beabsichtigt. Ob es mir gefiel oder nicht, Ms Terwilligers Training hatte mich gestärkt – sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinne.
Außerdem hatten mich Selbstverteidigungskurse erst kürzlich gelehrt, auf mich selbst und meine Umgebung aufzupassen. Vielleicht meinte Ian es gut, aber mir gefiel die Vorstellung nicht, dass er – oder sonst jemand – dachte, ich müsse verhätschelt werden.
»Ms Sage geht es recht gut, wie Sie sehen können«, bemerkte Stanton trocken. Ians Schwärmerei musste für sie offensichtlich sein, und ebenso offensichtlich war es für mich, dass sie mit einem solchen Kinderkram nichts anfangen konnte. Ihr Blick wanderte zum Fenster, das von der untergehenden Sonne orange und rot glühte. »Also gut. Es ist fast Zeit. Sollten Sie sich nicht fertig machen?«
Sie waren in ihrer Abendkleidung erschienen, aber ich musste mich noch umziehen. Sie unterhielten sich miteinander, während ich mich im Badezimmer zurechtmachte. Doch jedes Mal, wenn ich auftauchte – um eine Bürste oder Ohrringe oder etwas anderes zu holen –, sah ich Ian, der mich mit diesem dämlichen Ausdruck beobachtete. Na toll. Das konnte ich gar nicht gebrauchen.
Die Hochzeit wurde in einem riesigen Innengarten abgehalten, der den winterlichen Bedingungen draußen trotzte. Die Stadt war für diesen Garten berühmt. Sonya liebte Pflanzen und Blumen über alles, und dies war so ziemlich ihr Wunschtraum für eine Hochzeit gewesen. Die Glaswände, aus denen das Gebäude bestand, waren wegen des großen Unterschieds zwischen der Innen- und Außentemperatur beschlagen. Wir betraten einen Eingangsbereich, in dem während der normalen Öffnungszeiten des Gewächshauses die Eintrittskarten verkauft wurden. Hier fanden wir endlich die Moroi, die mir bei Tageslicht verborgen geblieben waren.
Etwa zwei Dutzend von ihnen schlenderten in der Eingangshalle umher, reich gekleidet und mit ihren schmalen, bleichen Gesichtszügen auf eine unheimliche Weise schön. Ein paar waren Platzanweiser und andere halfen, das Event zu organisieren und Gäste in das Atrium tiefer im Innern des Gebäudes zu führen. Die meisten Moroi waren einfach normale Gäste, die stehen blieben, um sich ins Gästebuch einzutragen oder mit Freunden und Verwandten zu plaudern, die sie lange nicht gesehen hatten. An den Seiten standen Dhampire in eleganten, schwarz-weißen Anzügen Wache und hielten nach jedem Anzeichen von Gefahr Ausschau. Ihre Anwesenheit erinnerte mich an eine Bedrohung, die sehr viel größer war als jene, die von ein paar betrunkenen Moroi herrührte, die uns mit Spendern verwechselten.
Die Feier fand bei Nacht statt, weshalb wir auch einem möglichen Angriff durch Strigoi ausgesetzt waren. Strigoi waren eine ganz andere Art von Vampiren – so anders, dass ich mir fast schon dumm vorkam, weil mich diese Gruppe so aus der Fassung brachte. Strigoi waren untot und wurden unsterblich, indem sie ihre Opfer töteten, im Gegensatz zu den Moroi, die einfach genug Blut von menschlichen Freiwilligen tranken, um sich zu ernähren. Strigoi waren bösartig, schnell und stark – und kamen nur bei Nacht heraus. Das Sonnenlicht, das Moroi lediglich unangenehm fanden, war für Strigoi tödlich. Strigoi töteten hauptsächlich arglose Menschen, aber Moroi und Dhampire waren ihnen die liebste Kost. Eine Veranstaltung wie diese – Moroi und Dhampire auf engem Raum zusammengepfercht – war praktisch so, als würde man ein Strigoi-Büfett anbieten.
Als ich jedoch die Dhampir-Wächter betrachtete, wurde mir klar, dass es jeder Strigoi schwer haben würde, in diese Feier einzubrechen. Wächter trainierten ihr ganzes Leben lang hart und verbesserten ständig ihre Fähigkeiten, um gegen Strigoi zu kämpfen. Wenn man bedachte, dass die Moroi-Königin dieser Feier beiwohnte, vermutete ich, dass die Sicherheitsvorkehrungen, die ich bisher gesehen hatte, nur der Spitze des Eisbergs
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