Magisches Erbe
suchte ich Ms Terwilliger vor dem Unterricht auf, um ihr über die gestrigen Abenteuer Bericht zu erstatten. Sie lehnte an ihrem Pult und nippte an einem Cappuccino, während ich sprach. Je weiter die Geschichte fortschritt, desto düsterer wurde ihre Miene, und als ich zum Ende kam, seufzte sie.
»Nun, das ist bedauerlich«, stellte sie fest. »Ich bin froh, dass Sie die junge Stone finden konnten, aber damit ist unsere Spur von Veronica bis zum nächsten Vollmond tot. Bis dahin könnte es zu spät sein.«
»Sind Sie sicher, dass es keinen anderen Wahrsagezauber gibt?«, hakte ich nach.
Sie schüttelte den Kopf. »Die meisten, die ich versuchen könnte, würden sie nur darauf aufmerksam machen, dass ich nach ihr suche. Allerdings gibt es einen, der mich während der Anwendung vielleicht tarnen könnte … aber er könnte es vielleicht auch nicht fertigbringen, die Schilde zu durchdringen, hinter denen sie sich versteckt.«
»Es ist trotzdem einen Versuch wert, oder?«, fragte ich. Die Glocke erklang, und nach und nach füllte sich das Klassenzimmer. Sie warf mir ein Lächeln zu und richtete sich auf.
»Nun, Ms Melbourne, ich hätte nie gedacht, dass ich einen solchen Vorschlag von Ihnen hören würde. Aber Sie haben recht. Wir werden heute Nachmittag darüber reden. Es gibt da etwas, das ich Ihnen gern zeigen möchte.«
Das antimagische Bauchgefühl begann sich wieder zu regen … und hörte dann auf. Irgendwie war ich gegen meinen Willen in diese ganze Sache hineingezogen worden. Aber ich machte mir jetzt viel zu große Sorgen um Veronicas andere Opfer, um mich um meine üblichen Probleme kümmern zu können. In den Augen der Alchemisten war es schlecht, Magie zu benutzen. In meinen Augen war es allerdings noch schlechter, Unschuldige in Gefahr zu lassen.
Da es keine weiteren kritischen Situationen zu meistern gab, flog der Tag nur so dahin. Als ich Ms Terwilliger in unserem Spezialkurs wiedersah, hatte sie alles zusammengepackt und wartete auf meine Ankunft. »Wir machen eine Exkursion«, eröffnete sie mir. »Wir müssen bei mir zu Hause daran arbeiten.« Ein sehnsüchtiger Ausdruck glitt über ihre Züge. »Zu schade, dass wir nicht bei
Spencer’s
halten können.«
Koffein und Magie vertrugen sich nicht miteinander, was ein weiterer triftiger Grund dafür war, nicht ins Café zu gehen. Ich wollte gerade darauf hinweisen, dass ich nicht den gleichen Einschränkungen unterworfen war, da ich keine Magie wirkte. Doch dann beschloss ich, dass das gemein wäre. Mit einer frei herumlaufenden blutdürstigen Schwester hatte Ms Terwilliger schon genug um die Ohren. Da brauchte sie nicht auch noch verspottet zu werden.
Die Katzen erwarteten uns bereits an der Tür, was etwas beängstigend war. Ich hatte sie noch nie alle auf einmal gesehen und zählte dreizehn Tiere. Ich nahm an, dass diese Zahl Absicht war.
»Ich muss sie erst füttern«, sagte sie zu mir, während ihr die Katzen um die Füße strichen. »Dann werden wir uns an die Arbeit machen.«
Ich nickte wortlos und fand, dass es ein guter Plan war. Wenn diese Katzen nicht bald gefüttert wurden, würden sie wahrscheinlich auf uns losgehen.
Sobald sie mit Futter abgelenkt waren, traten Ms Terwilliger und ich in ihre Werkstatt. Ich konnte nicht viel tun – außer zusehen. Bei Magie war es oft so, dass die Person, die sie wirkte, auch die ganze Arbeit leisten musste. Ich assistierte ein bisschen beim Abmessen von Substanzen, aber das war es auch schon. Ich hatte sie in der Vergangenheit ein paar schnelle, effektvolle Zauber wirken sehen, aber niemals etwas von diesem Ausmaß. Mir war klar, dass dies eine sehr, sehr mächtige Leistung war. Sie hatte nichts, das sie mit Veronica verband, kein Haar und kein Foto. Für den Zauber musste derjenige, der ihn wirkte, das Bild der gesuchten Person in seinem Gedächtnis verwenden. Andere Zutaten wie Kräuter und Öle verstärkten die Magie zwar, aber den größten Teil der Arbeit musste Ms Terwilliger selbst leisten. Während ich ihr bei der Vorbereitung zusah, stieg eine Mischung von Gefühlen in mir auf. Angst war natürlich eines davon, aber sie war gepaart mit der geheimen Faszination, jemanden mit ihrer Macht einen Zauber wirken zu sehen.
Als alles an seinem Platz war, sprach sie die Beschwörung, und es hätte mir beinahe den Atem verschlagen, als ich spürte, wie Macht in dem Raum aufwallte. Ich hatte das noch nie von jemand anderem gespürt, und die Intensität warf mich beinahe um. Ms Terwilliger starrte
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