Magma
geschehen. Neue Beben wurden verzeichnet, rund um den Pazifischen Ozean und entlang des Feuergürtels. Sporadisch zwar und schwach, aber deutlich messbar. Bislang haben sie noch keine Schäden angerichtet. Auch das Meer verhält sich ruhig. Das kann sich allerdings ändern.«
Ella runzelte die Stirn. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Nur Spekulationen«, sagte Helène Kowarski. »Ich möchte Sie wirklich nicht mit unseren Vermutungen belasten. Wir haben bisher nichts als vage Spuren. Solange wir nichts belegen können, bewegen wir uns auf ziemlich dünnem Eis. Und keinesfalls möchte ich Ihr Urteilsvermögen in eine bestimmte Richtung lenken.«
»Aber ich …«
»Bitte drängen Sie mich nicht«, unterbrach sie Madame Kowarski. »Ich kann und möchte Ihnen zu einem solch frühen Zeitpunkt keine Informationen geben. Das hat nichts mit mangelndem Vertrauen zu tun. Ehrlich gesagt vertraue ich Ihnen mehr als jedem anderen in meiner Gruppe, mich selbst eingeschlossen. Sie sind nicht vorbelastet. Wenn ich Ihnen jetzt zu viel verrate, würde das Ihr Urteilsvermögen beeinträchtigen, Ihre Objektivität. Alles, um was ich Sie bitte, ist, dass Sie sich mit Professor Martin an Ihrer Seite auf den Weg machen und diese neuen Erdbebenherde untersuchen. Sollte sich der Verdacht erhärten, dass wir es hier nicht mit Einzelfällen zu tun haben, so ist immer noch genug Zeit, sich später über ein weiteres Vorgehen Gedanken zu machen.« Sie lächelte. »Ich hoffe, dass Sie sich mit diesem Vorschlag anfreunden können.«
Ella bedachte Konrad Martin mit einem schiefen Blick. Der Professor sollte sie also begleiten? Sie hatte nicht vergessen, was unten an Bord der
Shinkai
geschehen war. Sie brannte darauf, mit Madame Kowarski ein Gespräch unter vier Augen über ihn zu führen. Doch ebenso schnell, wie sie ihn gefasst hatte, verwarf sie den Gedanken wieder. Es würde ein peinliches Gespräch werden. Sie war sich ja noch nicht mal sicher, was genau sie da gesehen zu haben glaubte. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete sie Martin, wie er die Katze kraulte. Der orangefarbene Tiger schnurrte behaglich. So unheimlich ihr der hagere Wissenschaftler auch war, so neugierig war sie doch auf ihn.
»Viele Informationen geben Sie mir ja nicht gerade«, wandte sie sich nach einer Weile an ihre Gastgeberin. »Ich gebe ganz ehrlich zu, mir ist nicht wohl bei der Sache. Zu viele Unbekannte, zu viele Risiken. Außerdem würde es bedeuten, dass ich schon wieder in der Welt herumreisen müsste. Ein Zustand, den ich eigentlich längst aufgeben wollte. Was halten
Sie
denn davon?«, richtete sie ihr Wort an den Professor.
Konrad Martin hob überrascht den Kopf. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, heute noch etwas sagen zu müssen. »Ich halte es für einen guten Vorschlag«, sagte er nach einer Weile. »Ich würde mich freuen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«
Ein schmales Lächeln stahl sich auf Ellas Gesicht. Hatte sie da eben tatsächlich einen Funken Freundlichkeit entdeckt? War es möglich, dass dieser mürrische Akademiker tatsächlich mal etwas Nettes gesagt hatte?
Sie überlegte. Der Auftrag klang nach normaler Feldforschung. Etwas, das sie schon Tausende von Malen gemacht hatte. Anreisen, dokumentieren, abreisen. Einfach, klar, überschaubar. Abgesehen davon, dass sie im Moment sowieso ohne Job war, brannte sie darauf zu erfahren, was hinter den geheimnisvollen Funden steckte. »Einverstanden«, sagte sie nach einer Weile. »Es scheint, dass meine Odyssee noch nicht zu Ende ist. Wo fangen wir an?«
Madame Kowarskis Augen leuchteten. »Chile«, sagte sie. »Etwas südlich der Ortschaft Antofagasta.«
»Wo liegt denn das?«
»In der Atacama-Wüste.« Ihre Gastgeberin zog einige lose Blätter aus der Tasche, augenscheinlich Ausdrucke aus dem Internet. Ella beugte sich vor, ohne dabei die Katze zu verscheuchen. Auf den Bildern war ein seltsames Fahrzeug zu sehen.
»Hier, lesen Sie«, sagte Madame Kowarski und deutete auf die Überschrift.
Ella griff in ihre Hemdtasche und setzte ihre Brille auf. »Mars-Rover unter Steinlawine begraben«, murmelte sie. »Unerklärlicher Unfall in der Wüste. Gestern um 8 : 30 Uhr Ortszeit wurde das Forschungsfahrzeug
Zoe
bei einer Erkundungsmission in der Atacama-Wüste durch einen Erdrutsch vollständig zerstört. Ausgelöst wurde das Unglück durch einen Erdstoß bisher unbekannter Herkunft. Steve Andersson vom
Astrobiology Science and Technology Program for Exploring Planets
spricht von einem schweren
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