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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ohrenbetäubenden Lärm hätte geben müssen. Vielleicht Sprengstoff? Gab es hier irgendwo Bauarbeiten, von denen er nichts wusste? Nein, nein. Als er jung war, hatte er am Bau einer Ölpipeline mitgearbeitet. Da wurde viel gesprengt, aber das ließ sich nicht hiermit vergleichen. Viel Lärm, wenig Wirkung. Also genau andersherum als in diesem Fall. Damit schied auch ein Explosionsunglück aus. Außerdem gab es hier weit und breit nichts, was eine solche Detonation hervorrufen konnte. Die nächste menschliche Siedlung lag vierzig Kilometer östlich in den Bergen. Vielleicht ein Erdbeben? Diese Möglichkeit schied eigentlich auch aus. Der Fallensteller wusste, wie sich so etwas anfühlte. Das letzte Beben lag noch gar nicht so lange zurück, vier oder fünf Sommer. Die Erde hatte etwa eine Minute lang gewackelt. Dabei hatte es gerumpelt und rumort, dass man den Eindruck bekommen konnte, der Boden unter den Füßen müsse auseinanderbrechen.
    Er seufzte. Er kam einfach nicht drauf.
    Mit unsicheren Schritten setzte er seinen Weg fort. Vier Fallen musste er noch untersuchen, dann konnte er den Heimweg antreten. Zum Glück hatte er noch einige Flaschen Wodka im Regal. Heute konnte er einen guten Schluck gebrauchen.
    Er war noch nicht weit gekommen, da bemerkte er eine weiße Dampfsäule, die von ihm aus gesehen etwas weiter westlich aus dem Boden stieg. In dieser Richtung lag ein See. Eine lang gestreckte, ovale Wasserfläche, die im Sommer viele Fische trug. Ideal zum Angeln. Wabernd und vom Wind zerrissen stiegen die Wolken in den grauen Himmel, bildeten seltsame Formen und lösten sich schließlich auf. Woher kam der Dampf? War vielleicht doch die Erde aufgebrochen? Keine Frage, er musste nachsehen, was dort los war. Je näher er kam, desto deutlicher wurde, dass das Eis auf dem See geschmolzen war. Bis auf eine dünne Schicht am Rand war alles weggetaut. Der Wasserstand war um etwa einen Meter gesunken und das Ufer war bedeckt mit toten Fischen. Der Fallensteller tippte einen von ihnen mit dem Schuh an. Voller Ekel stellte er fest, wie leicht sich das Fleisch von den Gräten löste. Der Fisch war gekocht worden. Sein Wolf schnupperte misstrauisch an dem Kadaver und wandte sich dann angewidert ab. Der Mann ging an den Rand des Sees, zog seinen Handschuh aus und hielt prüfend einen Finger ins Wasser. Fluchend zog er ihn zurück. Es war kochend heiß. Das war es also. Die Erde musste unterhalb des Sees aufgebrochen sein, so wie bei einem Geysir. Im Bergland gab es einige warme Quellen, manche wurden sogar als Heilbäder genutzt. Damit ließ sich viel Geld verdienen.
    Während der Fallensteller weiter den See umrundete, nahm eine Idee Gestalt an. Natürlich hatte er nicht das Geld, um ein Hotel oder etwas Ähnliches zu bauen. Wer würde auch schon so weit fahren, um sich hier zu erholen? Aber er konnte das Wasser für sich selbst nutzen. Das Land hier gehörte doch niemandem. Er würde sich eine zweite Hütte bauen und die harten Winter am Rande des Sees verbringen. Das würde ihm das Heranschleppen von Feuerholz ersparen. Ein großer Zuber war schnell gezimmert, und jeden Abend, wenn er heimkam, konnte er ein warmes Bad nehmen. Den Kopf voller Gedanken ging er weiter. Vor ihm schälte sich eine Form aus dem Dampf. Als er näher trat, sah er, dass es ein Auto war. Ein Lada mit einem blauen Schriftzug:
VECTOR  – Institut für Biotechnologien, Koltsovo-Novosibirsk
. Der Mann runzelte die Stirn. Die Angelegenheit wurde immer merkwürdiger. Wissenschaftler aus Novosibirsk? Das war über dreitausend Kilometer entfernt. Was wollten die hier? Hatten die hier etwa irgendwelche komischen Tests durchgeführt?
    Misstrauisch ging er ein paar Schritte zurück. Seine Erinnerung an die Katastrophe von Tschernobyl war noch sehr lebhaft. Atomkraft, Biotechnologien, chemische Waffen, das war doch alles derselbe Mist. Hochgefährlich und unberechenbar. Und wohin hatte es die Menschheit geführt? Vor zehn Jahren hatte er sich ganz bewusst für das Leben in der Einsamkeit entschieden. Nur weg von dem Gestank, der Korruption und der Kriminalität. Er war damals auf die schiefe Bahn geraten, hatte aber die Stärke aufgebracht, sich am eigenen Haarschopf aus dem Dreck zu ziehen. Er war abgetaucht und hatte mit seinem früheren Leben abgeschlossen. Wie es schien, hatte ihn die Zivilisation wieder eingeholt.
    Er wollte sich gerade bemerkbar machen, da fiel sein Blick auf ein seltsames Bündel, das in einigen Metern Entfernung auf der Erde lag.

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