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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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abzuwarten, griff Madame Kowarski in die Tasche und zog eine Reihe von großformatigen Farbfotografien heraus. Dann breitete sie eine nach der anderen auf dem Tisch aus, als wären es Tarotkarten. Ella spürte, wie sich ihr beim Anblick der Fotos der Hals zuschnürte. Zu sehen war eine metallische Kugel, die in einem Glaszylinder zu hängen schien. Kabel und Schläuche, die zu kompliziert aussehenden Apparaten führten, hingen an ihr. Die Kugel sah aus, als wäre sie an ein EEG angeschlossen. Die Buckel und Mulden auf ihrer Oberfläche glänzten fettig im Schein Dutzender Halogenlampen. Beim näheren Hinsehen entdeckte Ella dünne Linien, die sich auf ihrer Oberfläche abzeichneten. Haarfeine Risse, die sich verästelten und wieder zusammenliefen. Geraden, Linien, Schnörkel. Sie schienen von innen heraus zu glühen. Als die Kamera näher an das Objekt fuhr, wurden diese Risse deutlicher. Die Hand an ihrer Kehle schien stärker zuzudrücken. Die Linien hatten die Form von
Symbolen
.
    Ella wurde schwindelig. Alles begann sich zu drehen. Ihr war, als ob sie fallen würde, als ob eine riesige Hand sie packen und sie hinabziehen würde. Sie fühlte wieder diesen Druck auf sich lasten, genau wie in der
Shinkai
. Sie hörte das Piepsen der Elektronik und das Klicken der Relais, atmete die stickige Luft, roch den Gestank von verschmorten Kabeln und Erbrochenem.
    In diesem Moment kippte sie um.

27
    E lla?«
    Sie spürte Hände an ihren Schultern. Dann sah sie Madame Kowarskis Gesicht, nur wenige Zentimeter vor ihren Augen.
    »Können Sie mich hören?«
    »Wie bitte?«
    »Was ist mit Ihnen?«
    Ella schüttelte den Kopf. Erst nach und nach erlangte sie das Bewusstsein zurück. Immer noch schien sich alles zu drehen. Übelkeit stieg in ihr auf. Sie fühlte sich furchtbar. »Kann ich bitte einen Schluck Wasser haben?«
    Ihre Gastgeberin goss ein Glas voll ein und reichte es ihr. Die Kälte und das Sprudeln der Kohlensäure taten ihr gut. Die orangefarbene Katze war auch wieder da und schnurrte um ihre Beine. »Was ist geschehen?«, murmelte sie, während sie versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen.
    »Sie waren weggetreten«, sagte Madame Kowarski. »Einfach ohnmächtig geworden. Professor Martin konnte Sie gerade noch auffangen, sonst wären Sie mit dem Kopf auf den Glastisch geschlagen.«
    »Entschuldigen Sie«, Ella strich sich mit der Hand übers Gesicht. »Vermutlich die Anstrengung der Reise. Und diese Bilder …« Sie starrte auf den Tisch. Die Fotos lagen immer noch auf dem Tisch.
    Madame Kowarski blickte ihr fest in die Augen. »Sie haben diese Linien schon einmal gesehen, nicht wahr?«
    Ella nickte. Es hatte keinen Sinn, länger zu leugnen. »Ich dachte, ich hätte mir das alles nur eingebildet.«
    Die grauhaarige Dame schüttelte den Kopf. »Was Sie dort unten gesehen haben, ist eine exakte Kopie des Objekts, das wir seit fünfzig Jahren in unseren Labors aufbewahren. Nur um ein Vielfaches größer … und gefährlicher.«
    »Aber ich verstehe nicht. Was ist das? Wo kommt es her und was tut es?«
    Madame Kowarski setzte sich wieder an ihren Platz. »Das sind genau die Fragen, die wir uns seit fünfzig Jahren stellen. Genaugenommen haben diese Fragen überhaupt erst zum Bau unserer Einrichtung geführt. Fragen, auf die wir immer noch keine befriedigenden Antworten erhalten haben. Alles, was wir bisher gefunden haben, sind Fragmente.«
    »Aber Sie wissen, dass es gefährlich ist.«
    »Erst seit kurzem«, sagte Madame Kowarski. »Einer unserer Mitarbeiter kam bei dem Versuch, die Kugel gewaltsam zu öffnen, ums Leben. Er wurde buchstäblich verdampft. Es war schrecklich«, sie fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Der Sphäroid scheint über eine Art Verteidigungsmechanismus zu verfügen. Wahrscheinlich hat auch der italienische Professor Bekanntschaft damit gemacht, als er versuchte, ein Stück herauszuschlagen.«
    »Schrecklich«, murmelte Ella. Die Erlebnisse in der Tiefsee zogen noch einmal vor ihrem inneren Auge vorbei. »Wir waren von der Außenwelt abgeschnitten. Wir haben versucht, das Material zu durchdringen … mit einem Schlagbohrer aus Titan. Alles schien zu klappen, bis zu dem Augenblick, in dem es Yamagata gelang, die Außenhülle zu knacken. Danach ging es los. Es war furchtbar. Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich etwas, das ich mein Leben lang nicht vergessen werde«, sie deutete auf die Fotografien. »Es grenzt an ein Wunder, dass unser Kommandant das Schiff so schnell aus der Gefahrenzone

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