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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Rückschlag. ›Diese Katastrophe wirft uns um Jahre zurück‹, sagte er in einer ersten Stellungnahme …«
    »Und so weiter und so fort«, unterbrach Madame Kowarski sie. Ein schmales Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Dieser Rover wurde erbaut, um nach Leben zu suchen. Sieht so aus, als hätte er welches gefunden.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass an diesem Beben irgendetwas ungewöhnlich ist. Die gesamte Westseite des südamerikanischen Kontinents ist eine Erdbebenzone.«
    »Dieses hier ist anders, glauben Sie mir. Wir untersuchen derzeit alle gemeldeten Beben auf ein bestimmtes Kriterium. Sagt Ihnen die Zeitspanne von zwei Stunden achtundvierzig Minuten etwas?«
    Ella fühlte einen Kloß im Hals. »Allerdings«, sagte sie.
    »Nun, unsere Seismologen haben herausgefunden, dass es mit dieser Zeitperiode eine besondere Bewandtnis hat.«
    »Da bin ich aber mal gespannt.«
    »Zwei Stunden achtundvierzig Minuten ist die durchschnittliche Umlaufdauer einer seismischen Welle um die gesamte Erdkruste. So lange benötigt die Oberflächenwelle, um zu ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren.«
    Natürlich! Ella verfluchte sich innerlich, dass sie nicht selbst darauf gekommen war. Das war es. Deswegen war ihr die Zeitspanne so seltsam vertraut vorgekommen. Oberflächenwellen, die sogenannten L-Wellen, breiteten sich durchschnittlich mit vier Kilometern pro Sekunde aus. Der Erdumfang betrug etwa vierzigtausend Kilometer. Der Rest war simple Arithmetik.
    Sie atmete tief durch. »Wann brechen wir auf?«

28
    E in eisiger Wind fegte über die trockenen Grasbüschel der ostsibirischen Tundra und schichtete den Schnee an der Wetterseite eines kleinen Hügels zu mächtigen Wehen auf. In seine Jacke gehüllt und ein Zobelfell als Schutz gegen die Kälte über Mund und Nase gezogen, durchstreifte ein einsamer Fallensteller die menschenleere Gegend. Neben ihm trabte ein Wolf. Sein graubraunes Fell war mit Eiszapfen durchsetzt, seine Pfoten schneeverkrustet. Der Mann gab dem Tier einen freundschaftlichen Klaps auf die Flanken. Er war sein einziger Freund, seit er ihn als Welpen gefunden und aufgezogen hatte. Langsam bewegten sich die beiden auf eine flache Hügelkette zu. Wenige Kilometer von ihrer jetzigen Position entfernt begann das Bergland. Erst langsam, dann immer steiler erhoben sich die Berge, bis sie auf der Ostseite zur Bucht von Ochotsk wieder abfielen.
    Der Mann hob seinen Blick. Von Osten her zog schlechtes Wetter auf. Es begann langsam dunkel zu werden. Vor sich erkannte er einen Hügelkamm, der beinahe vollständig mit Schnee bedeckt war. An seine windgeschützten Flanken schmiegte sich Nadelwald, durchsetzt mit einigen Birken. Dort stand seine Hütte. Ein einfaches kleines Blockhaus, das seinem Großvater gehört hatte. Verglichen mit Stadthäusern bot es kaum Komfort, aber er brauchte nicht viel zum Leben. Ein schützendes Dach über dem Kopf, ein Feuer, um sich daran zu wärmen, und ein gemütliches Bett. Es war aus Holz und hatte eine richtige Matratze, der einzige Luxus, den er sich jemals gegönnt hatte. Er war jetzt schon über vierzig Jahre alt, und sein Rücken vertrug das Schlafen auf hartem Boden nicht mehr so gut wie früher.
    Während er mit ruhigen, gleichmäßigen Schritten der heimatlichen Blockhütte zustrebte, blieb der Wolf abrupt stehen. Er hatte die Ohren gespitzt. Der Mann hielt an, streifte die Kapuze ab und lauschte ebenfalls. Ein Heulen erklang, als würde ein Riese Luft einsaugen. Plötzlich flammte der Himmel auf. Und dann gab es einen Schlag, der dem Fallensteller die Beine unter dem Leib wegzog. Geblendet stürzte er zu Boden. Völlig verängstigt blieb er liegen, die Hände vor die Augen geschlagen. Sein Atem ging flach und das Herz hämmerte in seiner Brust.
    Es dauerte eine Weile, bis er es wagte, den Kopf zu heben. Sein Wolf lag neben ihm. Den Schwanz eingeklemmt und die Ohren angelegt, hatte er sich dicht an ihn gekauert und winselte leise. Mit zitternden Gliedern rappelte der Mann sich wieder auf. Alle Geräusche waren verstummt. Es war, als habe sich das Land in ein gewaltiges lauschendes Ohr verwandelt.
    Der Fallensteller klopfte sich den Schnee von der Kleidung. Langsam, misstrauisch und nach allen Seiten Ausschau haltend, setzte er seinen Weg fort. Was in Gottes Namen war denn das gewesen? Etwa einer von diesen Felsbrocken, die aus dem Weltraum auf die Erde stürzten? Aber der hätte doch sicher Staub und Erde in die Luft gewirbelt. Abgesehen davon, dass es einen

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