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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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sie noch einen letzten Schluck Kaffee, dann stand sie auf. Ein Blick in den Spiegel, kurz den Lidstrich nachgezogen, die Haare zusammengebunden und die letzten Krümel vom Revers gefegt. Fertig. Die Schlacht konnte beginnen.
    Während sie ihr Büro verließ und durch den Gang eilte, musste sie daran denken, dass Ella Jordan sich für heute angekündigt hatte. Sie würde im Laufe des Vormittags eintreffen. Irgendetwas an ihrem Anruf war merkwürdig gewesen. Scheinbar hatte sie sich während ihrer Expedition in Sibirien von Konrad Martin getrennt. Warum, darüber hatte sie am Telefon nicht sprechen wollen. Es schien jedoch wichtig zu sein.
    Helène konnte sich schon denken, worum es ging. Ein schwaches Schuldgefühl stieg in ihr auf. Sie war der Seismologin gegenüber nicht ganz offen gewesen. Das mochte sich jetzt als schwerer Fehler erweisen. Andererseits war ihr keine andere Wahl geblieben. Wäre sie gleich mit der vollen Wahrheit herausgerückt, hätte sie Ella niemals für sich gewinnen können.
    Schwere Gedanken von sich schiebend, bog sie um die Ecke und zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Der Weg zum Konferenzraum 1 war gesäumt von Schaulustigen, die sich scheinbar ganz zufällig hier eingefunden hatten. Natürlich waren sie alle nur gekommen, um zu erfahren, was los war, das war offensichtlich. Dennoch war es lästig. Während sie sich ihren Weg durch die Menschen bahnte, hatte Helène alle Hände voll zu tun, die Bande zurück in ihre Labors zu scheuchen. Bei den meisten genügten ein paar strenge Blicke, um sie einzuschüchtern, es gab aber auch ein paar Hartnäckige, die partout vorzuhaben schienen, den Vormittag mit dem Ohr an der Tür zu verbringen. Doch Helène wusste mit solchen Situationen umzugehen. Sie erhob die Stimme, richtete ein paar scharfe Worte an die Gaffer und wartete so lange, bis auch die letzten murrend und palavernd wieder zurück an ihre Arbeit gegangen waren.
    Als wieder Ruhe eingekehrt war, wandte sie sich an den Sicherheitsmann, der vor der Tür zum Konferenzsaal postiert war. Sein betont strenger Gesichtsausdruck konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er mit der Situation überfordert gewesen war. Das schlechte Gewissen stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
    »Eigentlich sollte es Ihre Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass sich hier kein Volksauflauf bildet«, raunzte Helène den Mann an. »Ich will nicht, dass irgendetwas von dem, was hier drin besprochen wird, an die Öffentlichkeit dringt. Ich werde Sie für etwaige Störungen persönlich verantwortlich machen, also halten Sie sich ran.«
    »
Oui,
Madame. Sehr wohl, Madame.« Der Wachposten salutierte kurz und fuhr dann fort, Löcher in die gegenüberliegende Wand zu starren. Sollte er ruhig. Hauptsache, sie waren die folgenden zwei Stunden ungestört.
    Helène ging an ihm vorbei in den Konferenzsaal und schloss die Tür hinter sich. Die Kollegen schienen bereits alle vollzählig versammelt zu sein.
    Helène blickte in die Gesichter der Gäste. Viele der Anwesenden kannte sie bereits seit Jahren. Sie waren wie eine Gruppe Verschworener, die sich berufen fühlten, dem größten aller Geheimnisse nachzuspüren. Einem Geheimnis, von dem die meisten Außenstehenden gar nicht wussten, das es überhaupt existierte. Ein wenig fühlte Helène sich wie ein Gralsritter auf der Suche nach dem Geheimnis der Schöpfung. Trotz all der Auflagen und Beschränkungen, denen jeder Mitarbeiter unterworfen war, hatte in diesem Institut seit jeher eine intellektuell gelöste Stimmung geherrscht. Immer gab es den einen oder anderen Scherz, der die Runde machte, vorzugsweise gegen Kollegen anderer Fachbereiche. Nichts Bösartiges natürlich, nur ein wenig feiner Spott, der durch die Gänge wehte wie eine kühle, anregende Brise.
    Heute war die Stimmung anders.
    Während Helène die Reihen der Wissenschaftler und Politiker abschritt, spürte sie die Wolke aus Angst, die sich über den Saal gelegt hatte. Es gab nicht wenige Augenpaare, in denen tiefe Besorgnis lag. Hier und da erhaschte sie ein aufmunterndes Lächeln, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass die Stimmung ernst und angespannt war.
    Während sie nach vorn zum Pult ging, kam es ihr vor, als sei der Konferenzsaal kleiner als sonst. Die Halogenleuchten funzelten trübe von der Decke herab, selbst die Bilder an den Wänden wirkten trist und farblos. Am rechten Kopfende des Saales befand sich ein Rednerpult, eine einfache Tafel, darüber eine Projektionsfläche für

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