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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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würde wie ein Blitz einschlagen, dessen war sie sicher. Der Gedanke war ihr während des Rückflugs aus Sibirien gekommen. Sie hatte gerade die letzten E-Mails, unter denen wieder einige Briefe von Joaquin gewesen waren, abgerufen, als sie aus dem runden Kabinenfenster in den sternenklaren Nachthimmel geblickt hatte. In diesem Augenblick war ihr ein Gedanke gekommen. Selbst jetzt, während sie hier in dem kahlen Gang stand und auf die Rückkehr des Wachmanns wartete, fragte sie sich, warum sie nicht viel eher darauf gekommen war. Es erschien ihr wie eine Erleuchtung. So verschwommen und traumhaft der Rückflug auch gewesen sein mochte, diesen einen Moment seltener Klarheit würde sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen.
    Die Tür öffnete sich und der Wachposten streckte seinen Kopf heraus.
    »Wenn Sie bitte eintreten wollen.«
    Ella nahm ihren ganzen Mut zusammen und betrat den abgedunkelten Saal. Dutzende von Augenpaaren richteten sich auf sie. Sie spürte die Blicke beinahe wie eine körperliche Berührung. Mit einem steifen Lächeln ging sie nach vorn, dorthin, wo sie die vertraute Erscheinung Helène Kowarskis erblickte. Die grauhaarige Dame stand auf und kam ihr ein paar Schritte entgegen. »Willkommen, meine Liebe«, sagte sie und schüttelte Ella die Hand. »Herzlich willkommen. Meine Damen und Herren, darf ich ihnen Dr.Ella Jordan vorstellen, promovierte Seismologin mit Professur an der George Washington University und seit kurzem freie Mitarbeiterin für die
Kowarski-Stiftung.«
Einige der Anwesenden klatschten. In manchen Gesichtern glaubte Ella ein wissendes Lächeln zu entdecken. Das war nicht überraschend. Hatte sie ernsthaft angenommen, sich an einem Ort wie diesem in der Anonymität verstecken zu können?
    »Schön«, sagte Helène. »Vielleicht nehmen Sie da drüben Platz. Dort ist noch ein Stuhl frei, und Sie haben einen guten Blick nach vorn.«
    Ella nahm ihren ganzen Mut zusammen und sagte: »Mit Verlaub, ich hätte vorher noch etwas zu sagen.«
    »So?« Madame Kowarski zog die Augenbrauen hoch.
    »Es scheint mir von größter Wichtigkeit zu sein.«
    Helène zögerte kurz, dann wandte sie sich an Steenwell und Habermann. »Können wir Dr.Jordan kurz das Wort erteilen …«
    Steenwell hob seine Hände in einer Geste der Verzweiflung. Als wollte er andeuten, dass es nach dem ungeplanten Vortrag Colins auf einen Redner mehr oder weniger auch nicht mehr ankomme. Helène nickte und deutete auf das Rednerpult. »Bitte schön.«
    »Vielen Dank, dass ich hier so unangemeldet hereinplatzen darf«, sagte Ella. Die Erinnerung an den Tag ihrer ersten Vorlesung waren mit einem Mal wieder sehr präsent. »Ich weiß, dass mein Eindringen sehr unhöflich erscheinen muss«, fuhr sie fort. »Es war keineswegs so geplant, das dürfen Sie mir glauben. Ich hoffe aber, dass Sie Verständnis zeigen werden, wenn Sie erst hören, was ich zu sagen habe. Wie manchen von Ihnen vielleicht bekannt ist, war ich viel unterwegs, auf der Suche nach Orten, an denen starke tektonische Unregelmäßigkeiten herrschen. Die erste Reise führte mich in die Tiefsee, eine zweite nach Südamerika und eine dritte nach Sibirien. Bis auf die Reise nach Chile bin ich jedes Mal nur knapp mit dem Leben davongekommen.« Sie wies auf die Blessuren, die sie bei ihrer Flucht aus dem Haus des Fallenstellers davongetragen hatte. »Überall fand ich dieselben Spuren und Hinweise. Zu der allgemeinen Entwicklung brauche ich Ihnen nichts zu erzählen, darüber wissen Sie sicher besser Bescheid. Bemerkenswert fand ich jedoch die Tatsache, dass es immer dann zu besonders schwerwiegenden Ereignissen kam, wenn Menschen versucht haben, die Kugeln zu manipulieren. Wohlgemerkt, es handelt sich hier um singuläre Ereignisse, die nicht unbedingt in Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung stehen. Ich finde, das ist eine Erkenntnis, die wir nicht übersehen sollten. Doch es gibt noch eine weitere Frage, die uns beschäftigt und auf die wir bisher keine Antwort hatten. Sie lautet: Woher stammen diese Dinger und was hat sie bewogen, gerade jetzt verrückt zu spielen?« Ella blickte in die Runde und stellte befriedigt fest, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. »Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, seit ich zum ersten Mal von diesen Kugeln erfuhr. Woher stammen sie? Wie kommt es, dass sie sich unabhängig voneinander aktiviert haben? Wer steckt dahinter, und was ist das Ziel dieser Aktion?« Sie begann auf und ab zu gehen. Bewegung half ihr dabei, sich

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