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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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geblendet vom Kerzenlicht. Hier, tief in den Schweizer Alpen zu stehen und den Blick auf eine der geheimsten wissenschaftlichen Einrichtungen, die es auf der Erde gab, werfen zu dürfen, das trieb ihr die Verwunderung bis in die Zehenspitzen. Sie warf einen letzten Blick durch die lichterfüllte Kathedrale und genoss den magischen Moment.
    Es dauerte keine Minute, dann war er verflogen. Zerplatzt wie eine schillernde Seifenblase. Die Realität hatte sie wieder eingeholt. Ella schlang die Arme um ihren Körper. Sie spürte die Kälte hier unten. Das Unheil, das sich über ihren Köpfen zusammenzubrauen begann, hinterließ Spuren. Die Gerüchte hatten sich offenbar wie ein Lauffeuer verbreitet. Kaum einer, der an diesem Tag fröhlich oder heiter war. Die Menschen wuselten geschäftig von einem Ort zum anderen, die Köpfe eingezogen, die Gesichter versteinert. Keiner nahm sich Zeit für ein Gespräch, keiner gönnte sich eine Ruhepause. Die Leute hier standen unter gewaltigem Druck. Der alles entscheidende Faktor hieß Zeit, und Zeit war ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnten.
    Helène Kowarski berührte sie am Arm. »Kommen Sie. Wir müssen reden.«
    Betrübt, dass die Führung schon vorbei war, spürte Ella jedoch das Verlangen, endlich alles zu erfahren. Diesmal würde sie sich nicht mit halbgaren Informationen abspeisen lassen. Was war mit Martin? Nun, sie würde auch dieser Sache auf den Grund gehen.
    Die Leiterin des Instituts winkte Ella zu einem Gebilde aus Stahlrohren, das sich einem gigantischen Werkzeug gleich in den Himmel schraubte. Zu ebener Erde befand sich eine Tür und daneben stand ein schwer bewaffneter Wachposten. »Wir nehmen den Aufzug«, sagte sie. »Oder möchten Sie lieber zu Fuß gehen?«
    Ella blickte in den Himmel und schüttelte den Kopf. Der Wachposten nickte knapp, als er die beiden Frauen näher kommen sah, und drückte auf einen Knopf. Irgendwo in weiter Ferne ertönte ein Gong, gefolgt von einem metallischen Schnappen. Dann sah Ella, wie sich hoch oben eine Gondel in Bewegung setzte. Mit seiner offenen, luftigen Konstruktion mochte der Lift der Traum jedes Architekten sein. Für Ella, die sich in großen Höhen noch nie besonders wohl gefühlt hatte, war es eher ein Albtraum.
    »Ihr Vortrag gerade eben hat uns allen sehr zu denken gegeben«, begann die Leiterin des Instituts das Gespräch, während sie auf den Lift warteten. »Besonders der Hinweis auf die Supernova hat einige meiner Mitarbeiter kalt erwischt. Ich wette, sie fragen sich noch jetzt, wieso sie nicht selbst darauf gekommen sind.«
    »Vielleicht, weil vielen von ihnen der Zusammenhang als zu absurd erschien«, sagte Ella.
    »Vermutlich.« Helène nickte beifällig. »Sehr aufschlussreich war aber auch ihr Hinweis auf das Abwehrverhalten der Kugeln bei Manipulation. Ihre Erfahrung deckt sich hundertprozentig mit dem Ereignis hier im Berg, bei dem einer unserer Mitarbeiter ums Leben gekommen ist. Wir müssen einfach noch viel vorsichtiger sein, wenn wir uns den Kugeln nähern. Gab es sonst noch etwas, was Sie mir aus Sibirien zu berichten hätten?«
    »Ich habe Ihnen den Bericht doch schon gemailt«, erwiderte Ella. Die Gondel näherte sich. Mit ängstlichem Erstaunen bemerkte sie, dass es nichts weiter als ein offener Käfig war. »Sibirien war eine Katastrophe. Ich habe so etwas überhaupt noch nie erlebt. Die Geburt eines Vulkans ist keine angenehme Erfahrung. Zu spüren, wie unter einem die Erde bebt und über einem das Haus zusammenstürzt, wie nebenan die Erde aufreißt und einen mit glühenden Gesteinsbrocken bewirft, das ist etwas, worauf ich in Zukunft gern verzichten möchte.«
    »Verstehe«, sagte Helène. Sie tat dies mit einem Seitenblick, der die Vermutung nahelegte, dass sie genau wusste, dass Ella einen wichtigen Teil in ihrem Bericht ausgelassen hatte.
    Der Aufzug war angekommen und die Flügeltüren öffneten sich gleich einem stählernen Gebiss. »Haben Sie sich in der Zwischenzeit einigermaßen erholt?« Sie trat ein und drückte die Acht.
    »Nur mit Mühe.« Ella folgte ihr und beobachtete, wie sich die Tür schloss. Mit einem tiefen Summen setzte sich der Lift in Bewegung. Während sich der Boden entfernte, bemerkte sie mit Erstaunen, dass die Gondel an keinerlei Kabel zu hängen schien. Auf ihren fragenden Blick hin erklärte Madame Kowarski: »Magnetisch.«
    Ella fand, dass es an der Zeit war, mit dem Wortgeplänkel aufzuhören. »Um ehrlich zu sein, ich habe zwei der schlimmsten Wochen meines

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