Magma
gekommen.« Alle lachten – außer Jan. Sie schien ein eher melancholisches Wesen zu haben. Die Hitze in der Kammer ließ ihre Haut glänzen, was sie noch attraktiver machte. Colin fand es zunehmend schwerer, sich in ihrer Gegenwart zu konzentrieren. »Wie auch immer«, fuhr er fort. »Der weitaus größte Teil des Innenraums wird von dem seismischen Verstärker eingenommen. Dem Gerät also, das die Erdbebenwellen aussendet.« Er deutete auf ein hufeisenförmiges Gebilde, das den Sockel, auf dem augenscheinlich der Tetraeder geruht hatte, wie eine Klammer umschloss. »Es scheint auch in der Lage zu sein, seismische Wellen zu empfangen, was uns auf die Idee gebracht hat, dass die Kugeln auf diese Weise miteinander
kommunizieren
.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Diese Vorrichtung lässt die Kugel also sowohl schwerer als auch leichter werden. Oder, um es korrekt zu formulieren, sie
krümmt den Raum
.«
Jetzt schenkte sogar Jan ihm ein Lächeln.
Colin spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Verlegen wich er ihrem Blick aus.
»Was ist das hier unten?« Ella deutete auf ein Gebilde, das aus mehreren Verdickungen bestand.
»Das ist etwas, dessen Funktionsweise wir noch nicht entschlüsseln konnten«, sagte Colin. »Es scheint sich um ein neuronales Netzwerk zu handeln, eine Einheit also, die man mit viel gutem Willen als
Gehirn
bezeichnen könnte. Die Steuerungszentrale der Kugel. Hier werden eingehende Signale registriert, bewertet und zu komplexen Verhaltensweisen koordiniert. In seiner Grundstruktur ähnelt es allerdings mehr einem Computer als einem Gehirn.«
»Inwiefern?«, wollte Jan wissen.
»Nun, es basiert auf Silizium- und nicht auf Kohlenstoffverbindungen. Man kann es also nur schwerlich als ›organisch‹ bezeichnen. Wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass es irgendwo im Universum Leben gibt, das auf Silizium statt auf Kohlenstoff beruht. «
Jan sagte: »Dann muss es aber über Nanostrukturen verfügen.«
»Genauso ist es.« Colins Augen glänzten. »Wir haben bei Untersuchungen mit unserem Rasterelektronenmikroskop festgestellt, dass praktisch die gesamte Steuerungseinheit auf Nanostrukturen beruht. Eine unvorstellbare Technologie.«
»Nanostrukturen?« Ella blickte Jan hilfesuchend an.
»Winzig kleine Vernetzungen in der Größenordnung von unter Hundert Nanometern. Ein Nanometer ist, wie Sie wissen, ein Milliardstel Meter und bezeichnet einen Grenzbereich, in dem die Oberflächeneigenschaften gegenüber den Volumeneigenschaften der Materialien eine immer größere Rolle spielen und zunehmend quantenphysikalische Effekte berücksichtigt werden müssen.«
Ella zog die Augenbrauen zusammen. »Passt der Begriff
Naniten
auch irgendwie da mit hinein?«
»Natürlich.« Colin hob überrascht den Kopf. »Um genau zu sein, sie sind ein integraler Bestandteil unseres Problems. Naniten, oder auch Nanobots genannt, sind molekülgroße Roboter, die selbstständig entscheiden und handeln können. Zellulare Automaten, die einen Hang zur Clusterbildung haben. Sie können im Zusammenspiel praktisch jede Größe und Form annehmen und sich zu speziellen Werkzeugen umformen. Werkzeuge, die besonders in der Medizin wahre Wunder bewirken könnten. Ich spreche hier von der Bekämpfung von Krebs und anderen Krankheiten. Heute denkbare Prototypen haben die Größe eines Stecknadelkopfes, in nicht allzu ferner Zukunft sollen sie auf die Größe von Blutkörperchen oder darunter schrumpfen und zur Fortbewegung befähigt sein. Im Moment ist das noch Zukunftsmusik, aber hier können wir diese Technologie bereits im Einsatz sehen. Wie kommen Sie darauf?«
Colin bemerkte, wie Ella ihrem Kollegen Konrad Martin einen vielsagenden Blick zuwarf. Es war offensichtlich, dass die beiden ein Geheimnis teilten. Er kannte Martin nun schon seit vielen Jahren. An dem Schweizer Geologen war irgendetwas nicht ganz koscher. In dieser Beziehung teilte er die Bedenken seines Freundes und Mentors Elias Weizmann. Er verstieg sich nicht darauf zu behaupten, dass Martin ein Spion war, aber er misstraute dem schweigsamen Mann. Dass Ella Jordan, diese temperamentvolle, lebenslustige Frau, ausgerechnet seine Nähe suchte, war befremdlich. Nun ja, Gegensätze zogen sich bekanntlich an.
Eine kurze Stille trat ein, dann antwortete Ella: »Oh, es war nichts. Ich habe den Begriff irgendwo mal aufgeschnappt.«
Colin spürte, dass sie nicht die Wahrheit sagte. Warum log sie? Nun ja, eigentlich ging es ihn ja nichts an, und
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