Magma
danach erkundigen konnte, ertönte eine Ansage über den Deckenlautsprecher.
»Dr.Kowarski, bitte melden Sie sich umgehend bei Direktor Steenwell. Dr.Kowarski bitte.«
»Entschuldigen Sie mich für eine Sekunde.« Die grauhaarige Dame verließ den Glaszylinder und eilte zum nächsten Com-Terminal. Sie tippte einen Nummerncode ein und hielt sich den Hörer ans Ohr. Das Gespräch dauerte nur wenige Sekunden, dann hängte sie ein und kam wieder zu ihnen zurück. »Die Vorführung ist leider beendet«, sagte sie mit ernstem Gesicht. »Es gibt Besorgnis erregende Entwicklungen an der nordamerikanischen Westküste. Wir sind gebeten worden, uns im Konferenzsaal eins einzufinden. Wenn Sie mir bitte folgen. Es ist Eile geboten.« Nach einem kurzen Moment atemloser Stille drängten alle nach draußen. Colin, der als Letzter folgte, ließ die Tür angelehnt. »Was ist denn geschehen?«, rief er. »Ist es denn nötig, dass alle mitkommen müssen? Ich müsste noch einige Testreihen fertig stellen.«
»Es ist soeben eine Meldung hereingekommen, dass an der Westküste der USA eine Kugel gefunden wurde. Der Gouverneur von Kalifornien hat Befehl gegeben, sie zu zerstören. Und das, obwohl ich die Warnung herausgegeben habe, die Kugeln in Ruhe zu lassen. Eine unerhörte Schlamperei. Kommen Sie, das Ereignis wird live im Fernsehen übertragen.«
48
Muir Woods, Kalifornien
E s war kurz nach Sonnenaufgang, als das Sprengkommando seine Vorbereitungen beendet hatte und zu den Fahrzeugen zurückgekehrt war. Die Sonne war gerade über den kalifornischen Bergen aufgestiegen und sandte erste goldene Strahlen in die nebelverhangenen Täler. Der Tau hing in feinen Tropfen auf Felsen und Bäumen und überzog die Windschutzscheiben der Einsatzfahrzeuge mit einer dicken Schicht.
Scott McGuire von der staatlichen Forstaufsichtsbehörde steckte fröstelnd die Hände in die Taschen. Die Muir Woods waren um diese Zeit am schönsten. Jetzt, ehe die Touristenströme hereinbrachen, lagen die Wälder in vollkommener Ruhe. Hier und da hörte man einen Specht hacken oder ein Streifenhörnchen rascheln, das war alles. Ab und zu konnte man einen der kleinen Schwarzwedelhirsche erspähen, vielleicht sogar einen Dachs oder eine Wildkatze, zwei ausgesprochen scheue Vertreter der hiesigen Fauna. Aber nicht heute. Heute war der Wald erfüllt von den Stimmen unzähliger Menschen, die sich lauthals unterhielten und Befehle bellten. Vier mächtige Halogenscheinwerfer waren in der Umgebung aufgestellt, die den fahlen Morgennebel mit gleißender Helligkeit zerschnitten. Zentrum der ganzen Aufregung war ein unscheinbarer Erdhügel, den eine benachbarte Baufirma vor achtundvierzig Stunden auf Anordnung des staatlichen geologischen Instituts geöffnet und abgetragen hatte. Was man dort gefunden hatte, war eine kleine Sensation. Eine augenscheinlich uralte steinerne Kugel war zum Vorschein gekommen, über die in kürzester Zeit die unglaublichsten Gerüchte im Umlauf waren. Es hieß, sie stehe im Verdacht, an den jüngsten seismischen Aktivitäten im San-Andreas-Graben schuld zu sein. Sie würde Erdbebenwellen aussenden oder sie jedenfalls auffangen und verstärken. Irgendetwas in der Art. Scott McGuire hielt das für ausgemachten Blödsinn. Für ihn sah das eher nach einem indianischen Ritusstein aus, etwas in der Art, wie es die Mayas oder Azteken hergestellt hatten. Natürlich waren sie dafür viel zu weit nördlich, aber wurden nicht tagtäglich die Hinterlassenschaften neuer Stämme entdeckt? Konnte doch sein, dass sich hier der Versammlungsplatz eines bisher unbekannten Stammes befunden hatte. Wie man es auch drehte und wendete, vom archäologischen Aspekt her war diese Kugel sicher sehr interessant, aber bei weitem kein Anlass für eine solche Aufregung.
Die Ersten, die den Fundort untersucht hatten, waren die Geologen gewesen. Keine Archäologen,
Geologen
. Und dann war binnen weniger Stunden auch noch die Nationalgarde erschienen. Die Jungs in Dunkelgrün hatten sofort damit begonnen, das Gelände weiträumig abzusperren und Wachposten aufzustellen. Dabei scherten sie sich einen Dreck um Wege oder Pfade. Sie latschten mit ihren schweren Stiefeln einfach durch ökologisch sensibles Gelände und umspannten eine etwa dreitausend Quadratmeter große Fläche mit ihren hässlichen Plastikbändern. Als Nächstes rückten die Herren von der Baufirma an, fuhren mit ihrem Bulldozer quer durchs Gelände und fingen an, den halben Wald umzugraben. Und als sei das noch
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