Magma
der angebotenen Köstlichkeiten angerührt, sondern sich stattdessen eine klare Gemüsebrühe bringen lassen. Offenbar ein ganz und gar genussfeindlicher Mensch.
»Wie kommt es eigentlich, dass die geologische Fakultät Bern sich für diesen Fall interessiert?«, begann sie das Gespräch. »Bei allem Respekt, aber der Marianengraben liegt ja nicht gerade vor Ihrer Haustür – um es mal salopp zu formulieren.«
Konrad Martin legte den Löffel beiseite, griff zur Serviette und tupfte sich umständlich den Mund. Dann trank er einen Schluck aus seinem Wasserglas. Er hatte den ganzen Abend
nur
Wasser getrunken, wie Ella missbilligend feststellte.
»Wir sind eine der weltweit angesehensten Fakultäten auf diesem Gebiet«, holte er zu einer längeren Erklärung aus. »Marine-Geologie …«
»… ist Ihr Spezialgebiet«, nahm Ella ihm das Wort aus dem Mund, »das sagten Sie bereits. Dennoch ist mir nicht klar, warum ausgerechnet die Schweiz sich für diesen Fall interessiert.« An Esteban und den Admiral gewandt, fuhr sie fort: »Es mag vielleicht arrogant klingen, aber die USA haben die besseren Wissenschaftler und die besseren Fakultäten. Abgesehen natürlich von den Japanern, die weltweit führend sind.«
»… aber leider keine Dr.Ella Jordan auf ihrer Gehaltsliste haben«, sagte der Admiral. »Doch das wird sich ändern, glauben Sie mir. Ich bin überzeugt, dass Sie sich nach erfolgreichem Abschluss Ihrer Mission vor Angeboten kaum retten können.« Er hob sein Glas und prostete ihr zu. Ella, die Komplimente nicht gewohnt war, nahm es mit einem verlegenen Lächeln entgegen. Konrad Martin hingegen gab ein geringschätziges Schnauben von sich und hüllte sich in Schweigen.
»Der wissenschaftliche Ruf der Schweiz ist unbestritten«, bemühte sich Esteban um den Professor. »Sowohl im Bereich der Pharmakologie als auch in der Nuklearforschung sind Sie absolute Spitze.«
»Verzeihung«, entgegnete Ella, »aber ich sprach von
Geologie
. In diesem Bereich spielt die Schweiz eine eher untergeordnete Rolle. Hinzu kommt, dass sowohl die USA als auch Japan gute Gründe haben, das Phänomen zu erforschen. Immerhin grenzen beide Staaten an den Pazifik. Wenn es zu einem Seebeben käme, wären wir die Betroffenen.«
Sie spürte, dass sie sich in das Thema hineinsteigerte. Dieser verdammte Alkohol. Sie durfte jetzt nicht die Kontrolle verlieren.
»Die Schweiz war am Bau der
Shinkai
beteiligt«, meldete sich der Professor endlich zu Wort. »Ich selbst habe an der Entwicklung des nuklearen Resonanz-Magnetometers sowie an einigen der anderen Messgeräte mitgewirkt. Falls es zu unerwarteten Schwierigkeiten käme, wäre ich sicher besser als Sie in der Lage, wirksam zu helfen.«
»Sie beide sind für das Projekt von unschätzbarem Wert«, bemühte sich der Admiral um einen Konsens. »Jeder auf seine Weise. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass Sie als Team funktionieren.«
Ella hatte den Professor nicht aus den Augen gelassen. »Von was für
Schwierigkeiten
sprechen Sie? Könnten Sie bitte etwas konkreter werden?«
»Die Geräte entsprechen dem neuesten Stand der Technik. Was soll ich Ihnen Vorträge über Sub-Bottom-Profiler und Side-Scan-Sonare halten? Das würde Ihre technische Auffassungsgabe überschreiten.« Ein überhebliches Funkeln war in seinen Augen zu sehen.
»Glauben Sie?«, gab sie kampfeslustig zurück. »Wie wäre es, wenn Sie mich auf die Probe stellten?«
»Sie wissen doch, was man über Frauen und Technik sagt«, erwiderte er schmallippig. »Ich glaube daher kaum, dass uns ein solches Gespräch weiterbringen würde.«
Ella schüttelte den Kopf. »Ich könnte jetzt einige höchst unfreundliche Worte entgegnen, aber ich lasse es lieber. Ich möchte jedoch anmerken, dass mich ihre Einstellung nicht überrascht. Wenn ich mich recht erinnere, ist es noch gar nicht so lange her, dass der letzte Schweizer Kanton das Frauenwahlrecht eingeführt hat.«
Plötzlich fühlte sie Estebans Hand auf ihrem Oberschenkel. Als sie ihn überrascht ansah, bemerkte sie in seinem Blick etwas Warnendes. Als wollte er ihr raten, den Schlagabtausch zu beenden.
»In einer solchen Tiefe kann alles Mögliche passieren«, brachte er das Gespräch wieder auf eine sachliche Ebene. »Der Druck, die hohe Luftfeuchtigkeit, auch die extremen Temperaturunterschiede stellen die elektrischen Geräte auf eine harte Probe. Also ich für meinen Teil bin froh, einen Fachmann mit an Bord zu haben.«
Konrad Martin schenkte dem
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