Magma
entgegentrat. Watanabe wandte sich ihr zu. »Wenn ich um Ihren Ausweis bitten dürfte.«
Der Fahrer kurbelte die Scheibe herunter, salutierte und überreichte dem Soldaten Ellas Pass. Der Wachposten musterte Ella unter dem Schirm seiner Mütze hervor mit kalten Augen. Er blätterte ein paarmal vor und zurück und schien sich genau darüber zu informieren, welche Länder sie schon bereist hatte. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass sie wirklich diejenige war, für die sie sich ausgab, und dass von ihr keine unmittelbare Gefahr für den Stützpunkt ausging, gab er die Papiere zurück, salutierte und winkte das Fahrzeug durch.
»Geschafft«, sagte Watanabe. »Mit Ihrer Erlaubnis würde ich den Pass noch für den Papierkram behalten. Sie bekommen ihn heute Abend zurück.« An Ellison gewandt fuhr er fort: »Der Chief hat für unsere Gäste Baracke siebenundzwanzig vorgesehen, gleich neben dem Hospital.« Er warf Ella ein Lächeln zu. »Ein schöner ruhiger Ort, fernab von unseren Exerzierplätzen. Sie können sich sicher denken, dass die Tage bei uns sehr früh beginnen. Ihre Kollegen sind dort ebenfalls untergebracht.«
»Kollegen?«
»Mr.Esteban und ein gewisser Professor Dr.Konrad Martin von der Universität Bern. Ein Schweizer Geologe. Komischer Vogel, das kann ich Ihnen sagen.«
»Das wird ja immer interessanter.« Ella ließ sich nach hinten sinken. Das war jetzt schon die zweite Überraschung an diesem Tag. Jetzt war also auch noch ein Schweizer Geologe mit an Bord. Die Vorstellung an sich war schon absurd. Wann hatte sich die Schweiz jemals mit geologischer Forschung hervorgetan? Und warum erfuhr sie immer alles als Letzte? Wenn man Esteban als Wissenschaftler einstufte, und das war er ohne Zweifel, dann waren sie jetzt also schon zu dritt. Drei Wissenschaftler auf dem Weg zum Kompetenzgerangel. Nicht gut, gar nicht gut. Ganz abgesehen davon, dass auch die Japaner ein Wörtchen mitzureden hatten. Immerhin war es ihr Tauchgerät.
Der Humvee hielt vor einem der vielen sauberen, weiß gestrichenen Bungalows, vor deren Fenstern tropische Blumen und Sträucher wuchsen. Grüner Rasen umgab die Häuser, und in der Ferne, hinter einem Palmenhain, konnte man das azurblaue Meer erkennen. Wären da nicht die Wachtürme gewesen und das ewige Knattern der Hubschrauber, man hätte den Stützpunkt glatt mit einer Feriensiedlung verwechseln können.
»So, da wären wir«, sagte Watanabe, stieg aus und beeilte sich, Ellas Gepäck aus dem Kofferraum zu holen. »Ich denke, Sie werden sich noch etwas ausruhen und frisch machen wollen, ehe Sie zum Abendessen gehen. Sehen Sie das dreistöckige Gebäude dort drüben? Das ist unsere Kantine. Das Admirals-Dinner wird um Punkt zwanzig Uhr serviert, also seien Sie bitte pünktlich.«
»Der Admiral ist hier?«
»Oh ja. Sein erster Landurlaub nach drei Monaten auf See. Er wird es sich nicht nehmen lassen, Sie persönlich zu begrüßen. Wenn Sie vorher noch schlafen wollen, aktivieren Sie bitte den telefonischen Weckdienst. Und wenn Sie Fragen haben, wählen Sie bitte einfach die entsprechende Nummer von der Telefonliste. Sie haben Zimmer vier, es ist gleich der Raum dort drüben, mit dem geöffneten Fenster.« Er streckte ihr die Hand entgegen. »Bleibt nur noch, mich von Ihnen zu verabschieden und Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und eine gute Weiterreise zu wünschen.«
Sie nahm seine Hand. »Sehen wir uns denn nicht beim Abendessen?«
»Tut mir leid. Ich habe heute Abend Wache, und soweit ich gehört habe, brechen Sie morgen sehr zeitig auf. Der Hubschrauber, der sie zur
Yokosuka
bringt, startet um sieben. Wir werden uns also wahrscheinlich nicht mehr sehen. Alles Gute für Ihre Mission. Übrigens auch im Namen von Ellison. Es hat uns sehr gefreut, Sie kennenzulernen.« Watanabe hob ein letztes Mal die Hand zum Gruß, dann stieg er ein, und mit einem Aufröhren des Motors entschwand der Humvee aus ihrem Blickfeld.
Ella seufzte. Wieder allein, wieder an einem Ort, den sie nicht kannte. Na ja, sie hatte es ja so gewollt.
Ihr Zimmer war wie erwartet spartanisch eingerichtet. Ein Bett, ein Stuhl, eine Kommode und ein Nachttisch mit Leselampe. Nicht mal ein Fernseher. Dafür war das Zimmer aber hell und luftig. Eine warme Brise wehte herein und bauschte die Vorhänge.
Während sie sich die Schuhe auszog und sich aufs Bett sinken ließ, betrachtete sie die Abendsonne, die ihr rötliches Licht auf die Wände warf. Wie früh doch die Sonne in den Tropen unterging. Ella spürte
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