Magma
hatte ganz vergessen, wie laut es draußen war. Der Wind, der mit Regen gesättigt war, peitschte ihr ins Gesicht. Rechts und links wuchsen jetzt die Funkmasten des Schiffes in die Höhe. Sie sah die japanische Flagge, an der der Wind zerrte. Dann gab es einen scharfen Ruck. Sie waren gelandet.
»Beeilung, Beeilung«, rief ihnen den Mann an der Tür zu. »Wir können nicht lange bleiben. Der Wind wird von Sekunde zu Sekunde stärker.« Er gestikulierte heftig mit den Armen, doch Ella und die anderen waren schon auf dem Weg. Sie zogen ihre Rucksäcke aus den Haltenetzen und beeilten sich, ins Freie zu gelangen. Esteban, der als Letzter ausstieg, warf dem Piloten noch einen militärischen Gruß zu. Dann fiel die Schiebetür wieder ins Schloss und der Hubschrauber erhob sich mit donnerndem Gebrüll in den Himmel. Ellas Regenjacke flatterte und zerrte an ihr, und sie musste sich an der Reling festhalten, um nicht umgeworfen zu werden. Mit einem Ausdruck leiser Verzweiflung blickte sie dem schlanken Luftfahrzeug noch eine Weile hinterher, sah es kleiner und kleiner werden und schließlich mit dem Grau der Wolken verschmelzen.
Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter. »Kommen Sie. Wir werden erwartet.« Esteban deutete auf die Männer, die sich ihnen vom Achterdeck her näherten.
Es war eine Gruppe ernst dreinblickender Japaner, angeführt von dem Mann, den sie bereits an Bord der
Shinkai
beobachtet hatten. Trotz seiner geringen Größe verströmte er unangreifbare Autorität. Als er vor ihnen stand, richtete er sich auf und stemmte seine Hände in die Hüften. »Mein Name ist Toshio Yamagata«, stellte er sich mit einem seltsam raspelndem Dialekt vor. »Ich bin der Leiter der Tiefseeabteilung von JAMSTEC , der japanischen Organisation für Meereswissenschaften und Ozeanographie. Im Namen des Kapitäns und der Besatzung heiße ich Sie auf der
Yokosuka
herzlich willkommen.
Konnichi wa
.« Dann stellte er in aller Kürze seine Mitarbeiter vor, deren Namen Ella aber augenblicklich wieder vergaß. Sie hatte sich noch nie gut Namen merken können, japanische am allerwenigsten. Schließlich ergriff sie seine ausgestreckte Hand. »Mein Name ist Ella Jordan. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Yamagata-san.« Sie verbeugte sich. »
Hajime mashite.
«
Yamagatas Blick drückte Freude aus und er verbeugte sich ebenfalls. »Sie sprechen japanisch, Jordan-san?«
»Leider nicht so gut, wie ich es gern möchte
, shirisimasu
. Ich beherrsche nur ein paar Wörter, die ich während meiner Reisen aufgeschnappt habe.« Sie musste sich beherrschen, ihn nicht gleich mit Fragen zum Stand der Vorbereitungen ihrer Expedition zu überfallen. Er hätte das als Zeichen von Ungeduld und somit als unhöflich werten können.
»Es ist die Geste, die zählt«, sagte Yamagata lächelnd. »
Domo arigato
.« Er verbeugte sich ein zweites Mal. Ella, die mit den Höflichkeitsriten der Japaner halbwegs vertraut war, tat es ihm gleich und stellte danach ihre beiden Begleiter vor. Nachdem sich alle Beteiligten die Hände geschüttelt und oft genug voreinander verbeugt hatten, führte Yamagata sie endlich unter Deck. Ella konnte es gar nicht erwarten, ins Trockene zu gelangen.
»Wir haben uns schwieriges Wetter für unsere Mission ausgesucht«, bemerkte der leitende Wissenschaftler. »Wenn die Umstände nicht so besorgniserregend wären, hätten wir die Expedition um ein paar Tage verschoben. Doch der neueste Stand der Entwicklung zwingt uns zu sofortigem Handeln. Admiral Johnson hat Sie doch sicher informiert.«
»Von welchen Entwicklungen sprechen Sie?«
»Von diesem Sturm.« Yamagata deutete nach oben. »Er wird uns in den nächsten Tagen höchst unangenehmes Wetter bescheren. Bei sehr hohem Seegang können wir die
Shinkai
nicht mehr zu Wasser lassen. Deshalb ziehen wir den Start vor. Ein Glück, dass Ihr Hubschrauber so schnell war, wir hätten sonst ohne Sie in die Tiefe müssen.«
Also doch
. Ella biss sich auf die Lippen. »Gibt es wirklich keine Möglichkeit, den Start zu verschieben? Wir haben eine anstrengende Reise hinter uns.«
Yamagata schüttelte den Kopf. »Haben Sie die letzten seismischen Messungen nicht gesehen? Wir verdanken es nur der großen Tiefe des Objektes, dass die Auswirkungen hier oben noch nicht spürbar sind. Wir haben es bereits jetzt mit einigen bemerkenswerten Megaplumes zu tun. Die Aufwärtsströmungen sind zwar stark, aber nicht besorgniserregend. Wenn es zu Hangrutschungen kommt, sieht die Sache anders aus.
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