Magma
für ihn übrig gehabt hatten, zählten sich mit einem Mal zu seinen besten Freunden. Er war jedoch vorsichtig genug, nicht auf ihr anbiederndes Gehabe hereinzufallen. Die Gunst, die ihm so unvermittelt aus aller Welt entgegenwehte, konnte genauso schnell wieder verschwinden. Dennoch schmeichelte es seinem Ego, so umworben zu werden. Wem würde das nicht gefallen? Außerdem beruhigte es ihn ungemein, dass seine finanziellen Schwierigkeiten endlich ein Ende gefunden hatten. Die Sponsorenverträge mit einer Großbrauerei und einem Schokoladenhersteller waren bereits unterzeichnet, der Terminkalender für bezahlte Führungen quoll über. Auch was seine eigene finanzielle Lage betraf, konnte er zufrieden sein. Man hatte sein Gehalt um beinahe die Hälfte aufgestockt und ihm das Amt des Dekans für die astrophysikalische Fakultät in Bonn angeboten. Die Entscheidung, ob er den Posten annehmen würde, hing aber in erster Linie davon ab, wie sich
sein Projekt
, wie er es im Stillen getauft hatte, in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln würde. Wenn er ehrlich war, war es ja auch Jans Projekt, schließlich war sie es gewesen, die die Sternenexplosion als Erste bemerkt und aufgezeichnet hatte. Dieser Umstand trübte seine Euphorie aber nur geringfügig. Marten war in dieser Hinsicht einfach gestrickt.
Er
war der Leiter der Station, also gebührte
ihm
die Ehre der Entdeckung. Schließlich war es ja auch nicht Kolumbus’ Steuermann, der in den Geschichtsbüchern auftauchte, sondern der Expeditionsleiter selbst. Abgesehen davon wäre Jan gar nicht in der Lage gewesen, ihre Entdeckung gewinnbringend zu lancieren. Sie hasste Kameras und verschwand, sobald ein Fernsehteam auch nur einen Fuß auf das Gelände setzte. Marten kratzte sich am Kopf. Was tat sie eigentlich den lieben langen Tag, während er die Teams herumführte? Immer, wenn Marten ihr auf irgendeinem Gang begegnete, wirkte sie schrecklich beschäftigt. Meist hatte sie nur ein schmales Lächeln für ihn übrig. Sie hatten seit über einer Woche kaum ein Wort miteinander gewechselt, und wenn man es recht bedachte, wusste er überhaupt nicht, woran sie eigentlich arbeitete.
Er nahm die Füße vom Tisch, trank den letzten Schluck Kaffee und stand auf. Es war an der Zeit, einmal herauszufinden, was Jan die letzten Tage über getrieben hatte. Baden und abhängen konnte er später immer noch.
Im Büro brannte noch Licht. Die Tür war angelehnt, und von drinnen drang das Rattern des Nadeldruckers an sein Ohr. Marten lächelte verschmitzt. Was war diese Frau doch für ein Arbeitstier. In ihrem Alter hatte er sich noch hauptberuflich in Studentenkneipen herumgetrieben und Flugblätter verteilt. Er fand, dass es höchste Zeit war, sie auf andere Gedanken zu bringen. Und wenn sich ein kleiner Flirt ergab, hatte er dagegen nichts einzuwenden. Das Interview mit der schwedischen Reporterin hatte ihn auf den Geschmack gebracht. Er konnte nur hoffen, dass dieser aufdringliche Bursche aus der Prozessrechnergruppe nicht im Büro war, dann würde es ein kurzer Besuch werden. Für Martens Geschmack schwirrte der viel zu oft in Jans Nähe herum. Wie hieß er doch gleich? Ach ja,
Daniel
. Kopfschüttelnd trat er näher. Eine halbe Flasche Chianti aus der Küche unter den Arm geklemmt sowie zwei Gläser vorsichtig in einer Hand haltend, klopfte er an.
Nichts rührte sich. Als auch auf ein wiederholtes Klopfen keine Antwort kam, trat er ein.
Das Büro war leer.
Er trat ein und schloss die Tür hinter sich. Mit gerunzelter Stirn blickte er sich um. Das Zimmer war eine Katastrophe. Es sah aus, als wäre eine Rotte Wildschweine hindurchgefegt. Papiere stapelten sich auf dem Boden, Bücher lagen halb aufgeschlagen und mit geknickten Seiten auf dem Schreibtisch, darunter teure, seltene Exemplare, die selbst über die Landesbibliothek kaum noch zu beschaffen waren. Über die pflegliche Behandlung von Büchern würde er mit Jan noch zu reden haben. Seltsame Rechnungen, mit krakeliger Schrift geschrieben, überzogen die Tafel. Der Papierkorb quoll über vor handschriftlichen Notizen, die kaum noch von Runen zu unterscheiden waren. Alles in allem stand der Anblick ihres Büros in krassem Gegensatz zu Jans übertriebener Liebe für Ordnung und Sauberkeit. Irgendetwas Merkwürdiges ging hier vor, und in Marten regten sich erste Anzeichen von Sorge.
Er stellte Flasche und Gläser ab, ging zum Drucker und versuchte sich einen Eindruck zu verschaffen, woran seine Assistentin gerade so
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