Magma
eifrig arbeitete. Es dauerte nicht lange, bis er sich eingestehen musste, dass er den endlosen Strömen von Zahlen und Buchstaben keinen Sinn entlocken konnte. Zugegeben, theoretische Mathematik war noch nie seine Stärke gewesen, aber ein wenig verstand er schon von der Sache. Was Jan hier ausdruckte, entzog sich jedoch ganz und gar seinem Auffassungsvermögen. Er spürte zwar, dass es etwas mit der Sternenexplosion zu tun haben musste, aber was genau, darüber konnte er nur spekulieren.
Er hatte sich gerade umgewandt und einen eng beschriebenen Zettel aus dem Papierkorb gefischt, als die Tür aufging und seine Assistentin auftauchte.
Ihre Haare waren verstrubbelt und ihr Gesicht war gerötet, so dass sie trotz ihrer jungen Jahre den Eindruck eines zerstreuten Professors machte. Martens Sorgen verdichteten sich, als er den fiebrigen Glanz in ihren Augen bemerkte. »Hallo, Jan«, begann er das Gespräch so unverfänglich wie möglich, »ich hatte gerade meinen letzten Termin.«
Sie blickte ihn überrascht an, als wäre sein Anblick das Letzte, womit sie gerechnet hatte. Doch dann besann sie sich und schnürte an ihm vorbei zum Drucker. »Die hübsche Schwedin?«, sagte sie und riss die letzten Ausdrucke ab. »War sie nett?« Kopfschüttelnd überflog sie die Zahlen.
»Sie war sehr professionell, wenn du das meinst. Der Beitrag geht übermorgen über den Sender. Inga hat mir versprochen, uns eine Kopie zu schicken. Und ich dachte … da wir beide ja in den letzten Tagen wenig Zeit füreinander hatten, dass ich dich vielleicht mit einem kleinen Gläschen Chianti von der Arbeit ablenken könnte.« Er zwinkerte ihr zu.
»Wie schön.« Jan ließ den Ausdruck in einen Karton gleiten und sah ihm zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatte, direkt in die Augen. »Ein Chianti, sagst du? Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber die Flasche steht schon seit drei Tagen geöffnet im Kühlschrank. Abgesehen davon, dass man ihn erst temperieren müsste, ist er mit Sicherheit schal. Aber ich könnte jetzt sowieso keinen Alkohol trinken. Wie du siehst, stecke ich mitten in der Arbeit.«
»Arbeit, Arbeit, Arbeit. Du musst doch auch mal ausspannen. Wie lange ist das her, das wir das letzte Mal miteinander geredet haben? Ich meine
richtig
geredet. Eine Woche? Zwei? Du kommst ja nicht mal mehr in die Kantine. Was treibst du hier überhaupt?«
Jan stand ein paar Sekunden unschlüssig im Raum, dann setzte sie sich seufzend. Sie legte die Beine auf den Tisch, griff nach der Weinflasche und nahm einen Schluck. »Brrr«, schüttelte sie sich. »Ich hab doch gesagt, dass er schal ist.« Ihren eigenen Worten zum Trotz nahm sie noch einen Schluck. Dann lehnte sie sich nach hinten, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte unter die Decke. »Du willst wissen, was ich hier treibe?«
»Allerdings. Um ehrlich zu sein, ich kann in diesem Chaos hier keinen Sinn erkennen.«
»Na schön.« Sie ließ sich nach vorn kippen. »Ich wollte es dir ohnehin sagen. Schließlich bist du der Chef. Du hast das Recht, E. T. als Erster zu sehen.«
Marten gab einen glucksenden Laut von sich. Dann griff er selbst zur Flasche. »E.T.? Was redest du da?« Vorsichtig nahm er einen Schluck. Was hatte Jan bloß? Der Wein schmeckte doch gar nicht so übel.
Jan brachte ein schmales Lächeln zustande – zum ersten Mal, seit er ihr Büro betreten hatte. »Na, ich rede von den kleinen Grünen.« Sie hielt ihre beiden ausgestreckten Zeigefinger hinter die Ohren. »Du weiß schon: piep, piep, nach Hause telefonieren. Ich rede von Außerirdischen.«
»Hast du welche entdeckt?« Marten nahm einen weiteren Schluck.
»Darauf kannst du wetten.«
»Bist du ganz sicher? Das würde sich im Fernsehen noch besser machen als die Supernova. Wann kommen sie denn? Haben sie gesagt, ob sie länger bleiben?«
Jan warf ihm einen verschwörerischen Blick zu. »Vielleicht sind sie ja schon hier.«
»Umso besser. Dann kann ich den Schweden Bescheid sagen, dass sie gleich hierbleiben können.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
Marten ließ seine Hände auf die Schenkel fallen. Es wurde Zeit den Chef raushängen zu lassen. »Okay, genug gewitzelt. Was genau hast du entdeckt? Und was sollen all diese Berechnungen? Geht es dabei um dein geheimes Projekt? Glaub nur nicht, ich hätte nicht bemerkt, dass du nebenher daran arbeitest. Für mich war das in Ordnung, solange das Tagesgeschäft nicht darunter leidet. Mittlerweile habe ich aber das Gefühl, dass genau
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