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Magma

Magma

Titel: Magma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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das der Fall ist. Ich möchte endlich wissen, wofür du die sündhaft teuren Rechnerstunden nutzt, die ich vom Budget abgezweigt habe.«
    Jan erhob sich und kam langsam auf ihn zu. Sie legte ihre Hände auf seine Schenkel und näherte ihr Gesicht dem seinen, bis ihre Nasenspitzen nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Marten begann, sich unwohl zu fühlen. Irgendetwas stimmte nicht mit Jan. In ihren grünen Augen lag ein bedrohliches Schimmern. Und als sie sprach, war ihre Stimme dunkel und geheimnisvoll.
    »Du willst wissen, woran ich arbeite? Du willst es wirklich wissen?« Um ihren Mund spielte ein kaltes Lächeln. »Gut. Dann hoffe ich, dass du die Antwort auch erträgst.«

19
    R ote Glutwolken stiegen auf.
    Sie hüllten die
Shinkai
ein und rüttelten und zerrten an ihr, als wollten sie ihre Weiterfahrt mit allen Mitteln verhindern. Das Tauchboot scheute und bockte wie ein junges Pferd. Die Crewmitglieder hatten Mühe, sich festzuhalten. Schwere Schläge hallten durch die Außenhülle, als der Stahl dem steigenden Druck zu trotzen versuchte. Die Servomotoren jammerten qualvoll bei dem Versuch, den schweren Bootskörper zu stabilisieren.
    Ella bemerkte von der Fahrt kaum etwas. Vergessen waren Mühsal und Gefahr. Selbst die Enttäuschung, die Esteban ihr beschert hatte, ließ langsam nach. Sollte er ihr verdammt noch mal doch den Buckel runterrutschen. Natürlich war es ärgerlich, dass sie so viele Gefühle investiert hatte, doch sie trug keine Schuld. Die lag ganz allein bei ihm – und dem System, für das er arbeitete. Das Einzige, was sie sich vorzuwerfen hatte, war die Heftigkeit ihrer Emotionen. Hatte sie sich wieder Hals über Kopf verlieben müssen? War das wirklich nötig gewesen? Aber schließlich war sie kein Roboter. Sie konnte ihre Gefühle nicht einfach an- und ausknipsen wie einen Lichtschalter. Trotzdem schwor sie sich, beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein. Wenn es ein
nächstes Mal
überhaupt gab.
    Kopfschüttelnd richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Computer. Mit konzentriertem Blick verfolgte sie, wie das winzige Tauchboot tiefer und tiefer sank, während es eine geschützte Stelle oberhalb der gewaltigen Felsnase ansteuerte. Wie eine Mücke, die auf einem Pferdehintern landen wollte, ging es ihr durch den Kopf.
    Als die
Shinkai
mit einem Ruck aufsetzte, war das wie ein Befreiungsschlag. »Touchdown«, sagte sie lächelnd. »Jetzt kann’s losgehen. An die Arbeit.«
    Yamagata hatte ihr und den beiden anderen Wissenschaftlern die Steuerkonsole mit den optischen, chemischen und akustischen Sensoren überlassen. Er selbst würde sich in der Zwischenzeit um die Greifarme und den Bohrkopf kümmern.
    Während sich der Schlamm, den die
Shinkai
beim Aufsetzen aufgewirbelt hatte, absetzte, blickte Ella aus einem der Bullaugen. Der Anblick war atemberaubend. Sie waren hoch oben auf der Felsnase gelandet. Von unten schimmerte das Magma empor, die der Felswand hinter ihnen ein gespenstisches Aussehen verlieh. Rotes Licht flackerte unheilvoll über Zacken, Spalten und Erhebungen, während sich die Details in der immerwährenden Dunkelheit über ihren Köpfen verloren. Es war eine Szene wie aus der altgriechischen Mythologie. Dies war der Tartaros, der sagenumwobene Abgrund, der das Reich der Lebenden von der Unterwelt trennte. Umgeben von einer dreifachen Mauer aus Dunkelheit blickte Zerberus, der dreiköpfige Wachhund der Unterwelt, auf die Seelen der Toten herab, die ihren Gang in die Tiefe antraten, um sich von Charon, dem Fährmann, an das andere Ufer des Flusses Styx übersetzen zu lassen. Wer einmal den Tartaros hinabgestürzt war, kam nie wieder zurück, nicht mal, wenn er ein Gott war.
    Ella schauderte. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen begab sie sich ans Werk. Zuerst schaltete sie die Strahler ein. Acht Halogenlampen zu je zweihundert Watt ließen die Tiefsee in gleißendem Licht erstrahlen. Jetzt waren die Außenbordkameras an der Reihe. Mit einem Flimmern erwachten die Vorder-, Achter-, Backbord- und Steuerbordmonitore zum Leben. Ella schwenkte die Kameras in eine günstige Position, justierte die Schärfe und trat dann einen Schritt zurück. Alle vier schienen einwandfrei zu funktionieren. Zusammengeschaltet gewährleisteten sie einen beinahe vollständigen Rundumblick. Die Sichtweite betrug vielleicht dreißig Meter, ehe sie durch Schwebeteilchen getrübt wurde. Der mit gelblichem Schlamm bedeckte Boden wirkte reichlich öde. Er war mit etlichen größeren und

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