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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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eigenen Augen gesehen zu haben.
    Drei Monate waren seit dem Befruchtungsmysterium vergangen. Die Föten waren gewiss noch nicht größer als neugeborene Kaninchen. Ich versuchte sie mir vorzustellen. Ich wollte das Wunder mit eigenen Augen sehen. Wo mochte sich die Brutzentrale befinden?
    »Warum spricht keiner mit mir?«, wollte ich von Karras wissen. »Warum behandelt ihr mich so abweisend?«
    »Alle, die hier landen, kommen, um zu sterben. Wir unterhalten uns nicht mit ihnen. Wir überwachen den Ablauf ihres Ablebens. Dabei agieren wir aus dem Hintergrund, ziehen an den Fäden wie die Puppenspieler. Gastfreundschaft ist den Skarabäen fremd.«
    Und nach einer Weile nachdenklichen Schweigens fügte er hinzu: »Wer ein Geheimnis hütet, muss verschwiegen sein. Des Eingeweihten Wort ist wenigen gemeinsam.«
    Ich wollte wissen: »Wie verbringt ihr eure Tage?«
    »Mit Arbeit, Meditation und Fasten.«
    »Ihr hungert?«
    »Fasten bedeutet nicht nur Verzicht auf Nahrung. Entbehrungsvoller sind Schlafentzug und Sprechverbot. Das höchste Opfer fordert das Versiegeln der Augen und der Ohren. In tiefster Finsternis und Stille glaubst du dem Wahnsinn zu verfallen. Wehrlos bist du dir selber ausgeliefert. Dein Herz wird zum Trommelschlag, das Blut zur rauschenden Flut. Am Abend des dritten Tages aber kommt die große Ruhe über dich.«
    »Und warum tut ihr euch das an?«
    »Alle Geschöpfe neigen von Natur aus zu Faulheit und Völlerei. Erst die Entbehrung verleiht ihnen Kraft. Horch auf das, was man hört, wenn man nichts mehr vernimmt.«

26. KAPITEL
    E inen großen Teil des Tages verbrachte ich im Schatten der Palmen, wo man mir ein Krankenlager errichtet hatte. Von hier aus konnte ich die Bewegungen der Männer gut beobachten. Sie schienen Langschläfer zu sein, denn sie traten nie vor Mittag in Erscheinung. Nach kurzem Aufenthalt im Freien verschwanden sie wieder in einem Tor, um dort ihre Arbeit, was immer das war, zu verrichten.
    Dort musste ich mir Zugang verschaffen. Und ich wusste auch schon, wie. Mir war aufgefallen, dass die Skarabäen an manchen Abenden die Schlucht verließen, um sich talaufwärts ins Innere der Insel zurückzuziehen. Schweigsam und mit brennenden Fackeln zogen sie in feierlicher Prozession davon, um erst kurz vor Tagesanbruch zurückzukehren. Keiner ahnte, dass ich sie dabei belauscht hatte. Der Wirkung des Tees vertrauend, glaubten sie wohl, ich läge schlafbetäubt in meiner Kammer.
    Dumm war nur, dass diese Nachtwanderungen in unregelmäßigen Intervallen erfolgten und sich nicht vorausbestimmen ließen. Doch als ich bemerkte, dass die Fackeln für die nächtliche Prozession schon am Abend herbeigeschafft wurden, bereitete mir auch dieses Problem kein Kopfzerbrechen.
    Der Himmel war sternklar, dennoch war es dunkel, denn der Mond war noch nicht aufgegangen, als ich mich aus meiner Kammer schlich.
    Die Skarabäen waren längst auf und davon. Das große Tor stand offen. Es gibt keine verschlossenen Türen auf Arkadia. Vor wem sollte man sie verschließen?
    Vor mir lag ein Treppenhaus. Das Licht schien direkt aus den Stufen zu kommen, hellblau, zerbrechlich, wie aus Eis gegossen. Behutsam betrat ich sie und erreichte schließlich eine Balustrade, von der ein langer Flur abzweigte. Im Vorbeigehen blickte ich in Kammern, die wie Lagerräume, Küchen oder Werkstätten aussahen. Die Türen rechts und links des Ganges standen offen, und ich erkannte metallisches Gerät, Glaskolben, fremdartige Apparaturen, verbunden mit Kabeln und Schläuchen, in denen farbige Flüssigkeiten pulsierten. Ich hastete von Raum zu Raum, in der Hoffnung, die Brutzentrale zu entdecken. Ich stieß auf Speisekammern, Lager für Wäsche und Medikamente, viel zu groß für die paar Männer, die hier lebten. Keine Spur von Brutkammern oder von Operationssälen, wo den sterbenden Frauen die befruchteten Eizellen entnommen werden könnten.
    Der Flur endete in einem dunklen Schacht, der sich senkrecht gen Himmel erhob. Er erinnerte mich an den Turm für die Kranken auf Karakara. Nach oben blickend, sah ich die Gondeln hoch über mir. Dicht gedrängt hingen sie da wie die Beeren einer Traube. Ich musste daran denken, wie ich selbst einmal in solch einem Korallinei gesteckt hatte. Die Skarabäen verfügten also über eine eigene Krankenstation. Bei dem Tabu, das sie umgab, war das nicht anders zu erwarten.
    Neben dem Turm befanden sich die Behandlungsräume. Hierhin hätte eigentlich die Brutzentrale gehört. Aber da war

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