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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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freiwillig hier, oder wurde er gezwungen? Ich möchte ihn so vieles fragen, muss mich aber gerade von ihm mehr fernhalten als von allen anderen. Seit meinem verunglückten Annäherungsversuch bei unserer ersten Begegnung geht er mir aus dem Weg. Ich spüre sein Misstrauen. Es tut weh. Aber offensichtlich ist er glücklich. Er lacht viel und schwimmt wie ein Delfin. Auch ich sehne mich nach dem Meer, traue mich aber nicht, mich vor den Männern zu entkleiden.
    Karras hockt neben mir. Ich betrachte seinen nackten Rücken und erinnere mich daran, wie er sich anfühlte, als ich meine Arme um ihn schlang, mich mit Bauch und Brüsten an ihn schmiegte.
    Ob er weiß, wie ich mich anfühle? Er war ohnmächtig, als ich ihn aus dem Wasser zog, und auch später hat er das Bewusstsein nicht wiedererlangt, jedenfalls nicht, solange ich noch bei Sinnen war. Aber wie konnte er mich dann wieder erkennen, als ich mein Gesicht entblößte? Er war bereits fort, als ich aus fiebriger Ohnmacht wieder zu mir kam. Eine Zeit lang war ich ihm so hilflos ausgeliefert wie er mir. Wir haben beide den anderen nicht bei Bewusstsein erlebt und haben ein Kind gezeugt. Pflanzen besamen sich unbewusst, ohne einander zu kennen. Oder wusste er sehr wohl, was er tat, als er mich nahm? Als Skarabäus war er zumindest als Wächter nicht unerfahren auf dem Gebiet der lustvollen Umarmung.
    Wie lange ist es her, dass ich hier an Land gegangen bin? Eine Woche, oder sind es bereits zwei? Den größten Teil des Tages verbringe ich in dämmerartigem Halbschlaf. Nachts schrecken mich Albträume. Attea erscheint mir, abgemagert und am Ende ihrer Kräfte. Sie teilt mir mit: »Ich habe überlebt, weil ich nicht von ihrer Lethe getrunken habe.«
    Sie erscheint mir mehrmals in einer Nacht, als wollte sie mich warnen. Ich beschließe, nichts mehr von dem Tee zu trinken.
    »Wir haben die Magna Mater über dein Unglück in Kenntnis gesetzt«, sagt Karras. »Sie will, dass du dich schonst.« Er besucht mich zweimal am Tag. Die anderen Skarabäen sehe ich nur selten.
    »Sie arbeiten in ihren Laboratorien«, erklärt mir Karras. Auch er ist dort beschäftigt, aber er spricht nicht über seine Arbeit.
    Seitdem ich den Tee nicht mehr trinke – ich schütte ihn abends in den Ausguss –, schlafe ich tief und traumlos. Keine Spur mehr von lähmender Müdigkeit bei Tage. Offensichtlich hat man versucht, mir Fesseln anzulegen. Meine Kopfverletzung kam ihnen dabei sehr gelegen. Jetzt war ich am Zug. Ich würde die Rolle, die man mir zugedacht hatte, weiterspielen, um sie in dem Glauben zu lassen, eine Ordensfrau wie ich ließe sich leicht vor ihren Karren spannen.
    Als Erstes musste ich mir ein Bild von ihnen machen. Dabei benahm ich mich wie ein Naturforscher, der die Lebensweise wilder Tiere studieren will. Da diese nicht mit ihm sprechen, ist er auf seine Beobachtungen angewiesen, um Rückschlüsse auf ihr Verhalten zu gewinnen. Und genau das tat ich.
    Im Gegensatz zu uns Ordensfrauen, die stets im schwarzen Ornat umherlaufen, tragen sie meist Hemd und Hosen wie die Männer der Vergangenheit. Natürlich können sie schreiben und lesen. Sie altern wie wir Ordensfrauen, denn da gibt es Alte und Junge wie Jakaranda.
    Man sagt, von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich, denn in ihm spiegeln sich alle unsere Gedanken und Gefühle. Wenn das wahr ist, und daran zweifle ich bei den Reifen nicht, dann steht den Skarabäen die stolze Gesinnung ins Gesicht geschrieben. Trotz ihrer stoppligen Verunstaltung verbreiten diese Schädel Überlegenheit. Man spürt die Kraft, ohne dass sie zur Schau gestellt wird. Aber sie verbreiten nicht nur Kraft, sondern auch Ruhe. Darauf angesprochen, meint Karras: »Mit Unruhe kommt nichts wahrhaft Großes zustande.« Und er fügt hinzu: »Ich bin der Meinung, dass wir noch viel zu wenig bedächtig sind.«
    Aber keine Regel ohne Ausnahme. Da gibt es einen blassen Menschen mit blauschwarzen Bartstoppeln, der Unruhe verbreitet, wo immer er sich sehen lässt. Sie nennen ihn Rufus. Seine Brustbehaarung quillt ihm wie ein Fell aus dem geöffneten Hemdkragen. Selbst seine Handrücken sind behaart wie Tierpfoten. Seine Linke ist verstümmelt. »Der Dreifinger« hatte Attea ihn genannt. Er weicht Estragon nicht von der Seite und begleitet ihn auf allen Wegen wie ein Hund. »Sein Blindenhund«, sagt Karras.
    In der Nacht werde ich zum Abt gerufen. Estragon steht an seinem Schreibpult. Ich nehme die Gelegenheit wahr, ihn aus der

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