Magnus Jonson 02 - Wut
durch den Verkehr von Reykjavík. Beinahe hätte er ein Motorrad auf der Gegenfahrbahn erwischt, das er zu spät sah. Als er sich der Abzweigung in die Bakkavör näherte, wurde Árni langsamer. Das war sein Glück, denn er sah gerade noch, wie Einar aus seinem Freelander stieg und ins Haus ging.
Árni hielt in dem Moment an, als zwei Streifenwagen hinter ihm in die Straße einbogen, zum Glück ohne Blaulicht. Árni winkte sie zu sich.
»Der Verdächtige ist gerade ins Haus gegangen. Kommt!«
»Moment mal kurz.« Einer der Kollegen war am Funkgerät. »Die
wollen, dass wir noch warten. Er könnte bewaffnet sein. Sie schicken die Wikingereinheit.«
Und so wartete Árni fünfzig Meter entfernt von Einars Haus in seinem Wagen. Er beschattete die Eingangstür: Einar konnte nicht durch sie verschwinden, ohne dass Árni ihn sah. Zu den beiden Streifenwagen gesellte sich ein dritter, sie zogen sich hinter die Straßenecke zurück.
Alle warteten auf die Wikingereinheit, das Sondereinsatzkommando der Reykjavíker Polizei. Árni war enttäuscht, dass er die Verhaftung nicht selbst vornehmen konnte, aber es wäre auch cool, das SEK in Aktion zu sehen.
Sein Telefon klingelte erneut. Es war Baldur. »Árni? Komm zurück zur Dienststelle.«
»Aber Einar …« »Die Wikingereinheit verhaftet ihn, sobald sie da ist. Ich brauche dich jetzt hier. Wir müssen herausbekommen, wer das nächste Opfer ist. Róbert löst dich ab.«
Unwillig wendete Árni und fuhr zurück zur Dienststelle.
Sie hatten fast Helgafell erreicht, als Magnus’ Handy klingelte: Baldur.
»Árni hat Einar gefunden. Er ist gerade nach Hause gekommen.«
»Hat er ihn verhaftet?«
»Wir haben die Wikingereinheit gerufen. Einar ist möglicherweise bewaffnet. Hast du eine Idee, wer das nächste Opfer sein könnte?«
Magnus warf der Frau neben sich einen kurzen Blick zu. Sie schaute aus dem Fenster auf den kleinen Hügel von Helgafell, der immer näher kam. Die Hand hatte sie vor den Mund gelegt, ihr Gesicht war von Qualen gezeichnet.
»Harpa weiß es nicht. Ísak ist bewusstlos, der kann also nicht reden.« Magnus wollte noch hinzufügen, dass sie von Björn gar nichts mehr hören würden, doch mit Rücksicht auf Harpa nahm er davon Abstand.
»Kommt Ísak durch?«
»Bei Kopfverletzungen weiß man nie, oder?«
»Na, zumindest wissen wir, wo Einar ist. Solange er daheim ist, kann er nicht viel anstellen, und wir greifen zu, sobald er versucht, das Haus zu verlassen.«
»Hoffentlich ist er der einzige noch fehlende Verschwörer«, bemerkte Magnus.
»Meinst du, es gibt noch jemand anders?«, fragte Baldur.
»Ich weiß nicht. Wir dürfen jedenfalls nicht davon ausgehen, dass es sonst niemanden gibt. Sag Bescheid, wenn Einar verhaftet ist.«
Magnus erwog die Möglichkeit, von der er gerade gesprochen hatte. War es Einar gewesen, der erst auf Óskar und dann auf Julian Lister geschossen hatte? Oder jemand anders?
»Harpa?«
»Ja?«
»Kann dein Vater Englisch?«
»Nicht richtig. Nur ein paar Wörter. Warum?«
Damit wäre er nicht in der Lage, die Attentate in Frankreich und England eigenhändig vorzubereiten.
»Ist er in den letzten zwei Wochen mal weg gewesen?«, fragte Magnus so vorsichtig wie möglich.
Harpa starrte in die andere Richtung, aus dem Beifahrerfenster, auf die neuen kleinen Häuschen am Stadtrand von Stykkishólmur. »Ja«, sagte sie kaum hörbar. »Er war Fliegenfischen. Zweimal.«
»Geht er auch jagen?«
Sie nickte, Magnus’ Blick immer noch ausweichend. »Früher war er oft auf Rentierjagd im Hochland, als er jünger war und es sich noch leisten konnte.«
Ursprünglich gab es in Island keine Rentiere, sie waren im achtzehnten Jahrhundert eingeführt worden und zogen nun frei über das Innere der Insel. Wo sie gejagt wurden. Mit Gewehren.
»Hat er ein Gewehr zu Hause?«, fragte Magnus.
Harpa nickte. »Aber er hat bestimmt einen Waffenschein.«
Magnus rief Baldur an und gab die Information weiter. Gut, dass die Wikingereinheit gerufen worden war.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass Papa so was macht«, sagte Harpa. »Ich meine, ich weiß, dass er die Banker hasst. Er hat all seine Ersparnisse bei der Ódinsbanki verloren. Und er ist sehr nachtragend. Aber am schlimmsten ist, dass er es wohl für mich getan hat.«
»Was meinst du damit?«
»Er war der Ansicht, die Banker hätten mein Leben zerstört. Gabríel Örn. Óskar. Er hätte mir die Schuld daran geben sollen, dass ich ihm vorgeschlagen habe, seine Ersparnisse in
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