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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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besitzergreifend. Vielleicht wollte er aber auch nur nicht, dass Mattim sich die Bücher näher ansah.
    »So werden wir eines Tages in unserer Burg in Akink stehen«, sagte der Schattenprinz. »Seite an Seite. Und aus dem Fenster auf unsere Stadt blicken. Du wunderst dich, dass ich in einem Hotel wohne? Ich brauche keine Villa. In dieser Welt will ich kein Schloss und auch kein Haus, in dieser
Welt will ich gar nichts. Ich bin hier nur auf der Durchreise. Ein Gast, ein Pilger, wenn du so willst. Es steht alles bereit. Zu Hause. Alles, was mein ist. Bald, kleiner Bruder, werden wir wieder dort wohnen, wo wir hingehören.«
    »Wie bald?«, fragte Mattim heiser.
    Kunun lachte. »Sehr, sehr bald. Freu dich auf dein Zuhause. Niemand wird uns aus Akink hinausprügeln, niemand wird mit brennenden Pfeilen auf uns schießen. Sie werden zu uns aufsehen. Du, der jüngste Prinz, ich, der König.«
    »Und das Licht?« Endlich hatte er Kunun dort, wo er ihn immer hatte haben wollen. In gelöster, vertraulicher Stimmung, in einer Stimmung, in der er vielleicht alles Wichtige von ihm erfahren konnte. Warum musste er nach dem Licht fragen? Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, bereute er es auch schon, aber nun konnte er es nicht mehr zurücknehmen.
    »Das Licht«, wiederholte Kunun leise. »Nichts als die Qual, die in unseren Augen brennt. Vergiss das Licht, kleiner Bruder.«
    »Ich hasse es, wenn du mich so nennst!«
    Kunun lachte spöttisch. »Kleiner Bruder bringt den Sieg.« Ein triumphierendes Lächeln überzog sein schönes Gesicht, so dass es fast hell wirkte, strahlender als Mattim, der mit seiner Wut, seiner Hilflosigkeit und all den widerstreitenden Gefühlen in sich kämpfte.
    »Drüben war es, in Pest. Irgendwo in einer schmutzigen Straße. Eine Bettlerin. So ein altes, verkrüppeltes Mütterchen. Zwei Sätze nur.« Er schloss halb die Augen, während er sich erinnerte. »Zuerst konnte ich absolut keinen Sinn darin erkennen. Das Gebrabbel einer Alten ohne Verstand. Die Jahre sind vergangen, und immer wieder kamen mir diese Sätze in den Sinn. Unsinn? Oder eine Prophezeiung? Wie sollte ich herausfinden, was es war? Doch dann bin ich auf Réka gestoßen. Und du bist zu mir gekommen. Deshalb
weiß ich, dass ich siegen werde. Du, Mattim, bist der Grund, warum Akink fallen wird. Mit meiner Stimme habe ich dich gerufen, und hier bist du … Gemeinsam werden wir über Magyria herrschen.«
    Mattim machte einen Schritt von ihm fort und schüttelte den Kopf. Ja, musste er sagen, ja, gemeinsam besiegen wir das Licht, und übrigens, wie schließt man die Pforte? Aber er bekam kein Wort heraus.
    Kunun lachte wieder. »Du Ärmster. Wie du an deinem Zorn und deinem Hass fast erstickst! Glaubst du, du müsstest mir vorspielen, dass du mein loyaler Mitstreiter bist? Spar dir die Mühe. Du kannst dich nicht verstellen. Selbst jetzt glaubst du noch, du müsstest für das Licht kämpfen, für einen König, der dich mit Öl übergießen und anzünden würde, für eine Königin, die dein Bild längst von der Wand genommen und deinen Namen vergessen hat. Es war mir sehr wichtig, dass du freiwillig herkommst, Mattim. Nichts ist stärker als eine freiwillige Kapitulation. Nichts ist finsterer als ein Licht, das sich freiwillig aufgibt.«
    »Nein«, ächzte der junge Prinz, »nein, ich habe nicht … Ich wollte nicht …«
    »Du bist gar nicht über den Fluss geschwommen, zu mir? Oh, doch, du hast es getan. Du hattest die Wahl und hast dich entschieden. Letztlich kannst du der Prophezeiung nicht entkommen. Du bringst mir den Sieg, Mattim. Ob du willst oder nicht.«
    Der Jüngere wich zurück. »Nein!«, rief er aus. »Nein, das tue ich nicht! Ich werde nicht aufhören, gegen dich zu kämpfen! Ich werde verhindern, dass Akink fällt! Ich werde alle deine Pläne zunichtemachen! Ich werde dir nicht den Sieg bringen, niemals!«
    »Oh, du verstehst mich falsch«, sagte Kunun, der lächelnde König der Dunkelheit. »Es ist nichts, was du noch tun wirst. Du hast es längst getan. Danke, vielen Dank, kleiner Bruder.«

    Mattim fand die Tür, riss sie auf und rannte den Gang hinunter wie von einem Rudel Wölfe gehetzt.
     
    »Mattim«, flüsterte Hanna, »mein Liebster. Es ist nicht wahr. Er lügt. Du weißt, dass er lügt.«
    Sie streichelte sein Haar, das glänzende blonde, fuhr ihm mit den Fingerspitzen über die Wangenknochen, die Nase, malte die Rundung der Ohrmuschel nach. Sie saß auf dem Sofa, während Mattim sich lang ausgestreckt hatte, den

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