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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Recht. Aber sie wollte nicht, dass er Recht hatte!
    »Bitte, Hanna«, bat Mattim, »mach es nicht noch schlimmer. Kunun muss glauben, dass wir ihn anerkennen, sonst haben wir nie die Chance, ihn zu besiegen.«
    »Anerkennen? Als was?«
    »Als unseren König.« Er lächelte, als er ihren empörten Gesichtsausdruck bemerkte. »Als unseren Anführer, wenn dir das lieber ist. Vor dem wir die Knie beugen müssen, bis wir die Macht in den Händen halten, ihn zu besiegen.«
    »Das geht mir extrem gegen den Strich«, gab Hanna zu.
    »Und mir erst«, sagte Mattim. »Und mir erst.«
    Der Kuchen war besiegt. Sie küsste ihm eine Schokoladenspur von den Lippen.
     
    Mattim verbarg sich in den Schatten. Réka hatte sich bei Kunun eingehakt und erzählte irgendetwas, mit einer Stimme, die bis zu ihm trug, etwas zu laut, etwas zu nervös. Die beiden gingen auf der Pester Seite am Donauufer entlang, was es schwierig machte, ihnen zu folgen, von einer Deckung zur nächsten. Hanna war bei Attila; sie hatte sich nicht freinehmen können. Mónika war kaum noch
zu Hause. Aber auch wenn Hanna nicht neben ihm stand, konnte er sich genau vorstellen, was sie denken, was sie sagen würde. Wie sie sich darüber aufregen würde, dass Kunun mit einem Kind durch die Stadt zog, einem Kind, das tat, als wäre es eine junge Frau, lachend, alles ein bisschen aufgesetzt, übertrieben erwachsen. Auf hohen Schuhen stolperte Réka dahin und war von einer Frau wie Atschorek dennoch so weit entfernt, wie man es nur sein konnte.
    Ein kleiner, gebückter alter Mann tauchte vor Mattim auf, streckte die Hand aus und murmelte etwas.
    »Tut mir leid«, sagte Mattim, peinlich berührt, »ich hab nichts.«
    Die paar Geldscheine in seiner Tasche musste er aufbewahren, für den Fall, dass Kunun später in ein Taxi stieg.
    Der Bettler wandte sich ab. Nicht mal einen dicken Mantel trug er bei dieser unangenehm feuchten Kälte, nur eine zerschlissene Jacke, und auf einmal überfiel Mattim solches Mitleid, dass er den Alten zurückrief.
    »Warte. Vielleicht ist da doch noch etwas, hier …«
    Er wollte keine Dankesworte hören, sondern eilte weiter. Wo waren Réka und Kunun? Hatte er sie etwa in dem Moment verloren, als er mit dem Alten sprach? War dieser vielleicht sogar von Kunun geschickt worden, um ihn abzulenken? Aber nein, da waren die beiden. Es geschah gerade. So eng umschlungen, wie sie dastanden, Kunun über das deutlich kleinere Mädchen gebeugt … Zorn und Hass wallten in Mattim auf, er wollte losstürzen, seinem Bruder die Faust ins Gesicht schmettern. Da hörte er schon Rékas leises Lachen, verwirrt und dennoch glücklich. Kununs Antwort war nicht zu verstehen. Anscheinend schickte er sie nach Hause. Réka blieb wie angewurzelt stehen und sah Kunun nach, und so, wie Mattim eben noch dem Impuls widerstanden hatte, seinen Bruder zu schlagen, so unterdrückte er nun das Mitgefühl, das ihn dazu bringen wollte,
Réka den Arm um die Schulter zu legen und sie nach Hause zu begleiten. Stattdessen folgte er Kunun.
    Mit raschen Schritten ging der Schattenprinz am Ufer entlang. Er drehte sich kein einziges Mal um. Anscheinend war es ihm völlig egal, ob Réka den Weg zur Haltestelle und nach Hause bewältigen konnte oder ob sie zusammenbrach. Stattdessen … Nein, jetzt blieb er stehen. Allerdings nicht, um zurückzublicken. Er stand nur da und starrte auf den Fluss hinunter. Noch war es hell genug, aber die ersten Lichter blitzten bereits am anderen Ufer auf. Unbeweglich wie eine Statue beobachtete Kunun, wie die Dämmerung herabfiel. Er würde doch nicht den ganzen Abend hier herumstehen? Oder - dieser Gedanke kam Mattim nicht zum ersten Mal - ahnte er, dass er beobachtet wurde, und testete die Geduld seines Verfolgers? Der junge Prinz verbannte jedes Gefühl von Kälte aus seinem Körper. Seine Beine schmerzten nicht. Nichts juckte. Er musste sich nicht kratzen, nicht von einem Bein aufs andere treten, sich nicht über den Nasenrücken streichen. Still wie ein Schatten wartete er, ohne sich zu rühren, ohne zu atmen, den Blick auf den Feind gerichtet. Der vollkommene Brückenwächter.
    Endlich ging Kunun ein Stück weiter, dorthin, wo die Stufen hinunter zum Wasser führten, und verschwand aus Mattims Sichtfeld.
    Kunun ging ans Wasser? War er verrückt? Mattim trat so nahe es ging an die zum Fluss hin steil abfallende Kante der Ufermauer. Ja, dort unten auf dem Absatz stand sein Bruder. Wenn er jetzt hochblickte, würde er Mattim unweigerlich sehen. Vielleicht

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