Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Kopf auf ihrem Schoß. Während sie versuchte, ihren Freund zu trösten, genoss sie es, ihn zu berühren. Er hatte die Augen geschlossen, und sie konnte ihn betrachten, das Glück, welches das Schicksal ihr geschenkt hatte, ein überirdisches Glück aus einer anderen Welt.
»Wir müssen in seine Suite.«
»Das ist nicht dein Ernst! Du willst ins Hilton einbrechen?«
»Du musst mitkommen«, sagte Mattim. Er öffnete die Augen, und sein Blick traf sie wie beim ersten Mal und ließ ihr Herz schneller schlagen, ein Blick wie das Strahlen eines Sterns. »Ich bringe dich ungern in Gefahr, aber ich kann nicht gut genug lesen. Ich muss wissen, was Kunun da für Bücher hat. Wonach er darin gesucht und was er gefunden hat. Er ist sich so unglaublich sicher, Hanna, dass er siegen wird. Du hast ihn nicht gesehen, als er es gesagt hat. Er hat sich bei mir bedankt, und er meinte es vollkommen ernst.«
»Das hat er nur getan, um dich zu verletzen.«
»Nein, nicht nur. Mein Bruder glaubt daran. Er hat mir diese Sicherheit vorgeführt, um mich zu entmutigen. Natürlich hat er es genossen, aber er hat nicht gelogen.«
»Du lässt dich jedoch nicht entmutigen«, sagte sie und fühlte, wie ein Schauer über ihre Haut lief, wie Aufregung, Glück und Anspannung in ihr kribbelten. Nein, Mattim war nicht ins Haus gekommen, um sich auszuheulen, um Trost
zu finden. Er war hier, um einen neuen Plan mit ihr zu besprechen.
»Ich habe nicht viel Zeit, bevor ich Attila aus der Schule abholen muss. Und dann …« Hanna schlug sich gegen die Stirn. »Morgen ist doch wohl nicht schon der Fünfzehnte, oder? Ich hab noch gar nicht alles fertig für seinen Geburtstag! Ich dachte, ich gehe mit den Kindern Schlittschuhlaufen, trotzdem muss ich hier schmücken und ein paar Dinge vorbereiten. Wenn du heute noch in Kununs Sachen stöbern willst, müssen wir sofort los.«
»Vormittags gibt es zu wenig Schatten, durch den ich steigen könnte«, sagte Mattim. »Heute Nacht.«
Nachts also. Ein Besuch jetzt gleich am Tag wäre ihr lieber gewesen.
»Na gut. Dann heute Nacht.« Sie unterdrückte ein Gähnen. »Geht klar.«
Mattim setzte sich auf. »Du bist erstaunlich, Hanna. Hast du denn gar keine Angst?«
Nicht, wenn du bei mir bist. Sie sprach es nicht aus, es hätte vielleicht übertrieben geklungen, und doch war es so. »Immerhin kannst du durch Wände gehen, nicht? Ich schätze, unsere Chancen, nicht erwischt zu werden, sind recht hoch.«
»Ich meine nicht die Hotelangestellten«, sagte Mattim, »sondern Kunun. Ich habe gesehen, wozu er fähig ist.« Er konnte die Sorge in seinen steingrauen Augen nicht verbergen.
»Dein Bruder ist heute nicht schlimmer als gestern«, sagte Hanna betont munter. »Die ganze Zeit wollten wir wissen, wo er sich verkriecht. Jetzt, da wir es endlich wissen, können wir nicht kneifen.« Sie wäre am liebsten sofort losgezogen, um das Abenteuer hinter sich zu bringen. »Dann muss ich mir jetzt noch schnell was für die Dekoration überlegen.«
Mattim betrachtete sie verwundert. Hanna fühlte selbst,
wie merkwürdig es war, sich über eine Kinderparty Gedanken zu machen, während sie im Hinterkopf wusste, dass sie am Abend in Kununs Privatsachen wühlen würde. Aber es wäre unerträglich gewesen, sich die ganze Zeit über vorzustellen, wie und wo sie durch die Wände steigen würden. Was passieren würde, wenn Kunun Verdacht schöpfte. Und, noch schlimmer, wie sie sich fühlen würden, wenn sie gar nichts herausfanden, wenn sie bedrückt wieder hinausschleichen würden, Kununs spöttisches Lächeln wie einen bösen Fluch über sich …
»Gehen wir eine Taschenlampe kaufen«, sagte sie. »Falls wir einen schönen Schatten benötigen. Und wenn wir schon dabei sind, ich brauche Luftballons. So viele wie möglich. Und Konfetti.«
»Was soll das sein?«, erkundigte Mattim sich neugierig.
Sie beugte sich vor und küsste ihn. Vielleicht schmeckten Küsse dann am besten, wenn man wusste, wie schnell alles vorbei sein konnte, wie unerbittlich die andere Seite zuschlagen konnte, wenn man Teil einer geheimen Zwei-Personen-Verschwörung war.
»Wofür war das denn?« Mattim grinste zufrieden. Nichts konnte ihr Herz so dahinschmelzen lassen wie das Glück in seinen Augen, die wie der Himmel waren, hell und hoch und weit und zugleich tief und geheimnisvoll.
»Weil du das nicht nur so gefragt hast«, erklärte Hanna. »Weil du es wirklich wissen willst. Weil dich all das interessiert, obwohl du in diesem Kampf gegen Kunun
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