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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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goldblonden Schopf frei. »Kunun! Lass mich raus! Kunun!«
    Hanna zuckte jedes Mal zusammen, wenn er seine Wut an den Wänden und der Tür ausließ; eng in eine Ecke gepresst, wartete sie ab. Merkwürdigerweise verflog ihre Angst, während der Junge seine Wut hinausbrüllte. Er verfügte über eine erstaunliche Ausdauer im Schreien und Bearbeiten der Wände, doch schließlich ließ er sich auf den Boden hinunter und betrachtete seine blutenden Fingerknöchel. Dann hob er den Kopf, und Hanna sah zum ersten Mal sein ganzes Gesicht.
    Seine Augen waren grau. Obwohl in seiner Stimme ein unverhohlenes Schluchzen gelegen hatte, waren sie trocken. In seinem Blick lag etwas Hartes, Entschlossenes. Wenn dieser entschiedene Ausdruck nicht gewesen wäre, hätte er sehr jungenhaft und fast zart gewirkt. So aber kam ihr sein Blick vor wie aus Stein gemeißelt, und die Angst kehrte zurück.
    »Er will, dass du mich tötest«, sagte sie aus ihrer Ecke heraus. Sie saßen einander gegenüber. Der Fahrstuhl war so klein, dass er nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um sie zu berühren. Er tat es nicht. Stattdessen schlang er die Arme um die Knie.
    »Nein«, widersprach er mit zusammengepressten Zähnen. »Nicht ganz so schlimm.«
    »Dass du mich beißt?«
    Auf einmal lächelte er, und er wirkte so jung und verletzlich, wie sie sich fühlte. »Du weißt Bescheid? Ich dachte, niemand wüsste das. Atschorek behauptet, sie vergessen es alle sofort.«
    Hanna betrachtete das Blut an seinen Händen. Er war unzweifelhaft ein Mensch. Trotzdem fragte sie fast beiläufig: »Du bist also auch ein Vampir, wie?«
    »Nein«, sagte er. »Ich bin ein Schatten.«

    »Aha«, murmelte sie.
    Er hielt eine Hand an den Mund und saugte an der Wunde, dann begegnete er ihrem erschrockenen Blick und ließ die Hand wieder sinken. »Hast du ein Taschentuch?«
    Sie fasste in ihren Mantel, zog ein unbenutztes aus der Packung und reichte es hinüber. Als er sich vorbeugte, zuckte sie sofort zurück.
    Er lachte bitter. »Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde dir nichts tun.«
    »Da bin ich aber erleichtert.« Sie wusste selbst nicht, warum es so ärgerlich und sarkastisch klang. Es war ihre Aufgabe, ihn auf ihre Seite zu ziehen, und nicht, ihn zu reizen. Dennoch konnte sie nicht anders, als die Frage hinterherzuschieben: »Das wird dir tierisch schwerfallen, oder?«
    Er blickte sie wieder an. Es war merkwürdig, wie unterschiedlich seine Augen wirken konnten. Nun erinnerte das Grau sie nicht mehr an Fels, sondern an das dunkle, trübe Wasser der Donau. Aber er antwortete nicht, und sie biss sich auf die Lippen.
    Hanna schaute auf die Uhr. Es war bereits kurz nach zehn. Mittlerweile hatten die Szigethys sicher gemerkt, dass sie aus dem Haus gegangen war. Noch einmal versuchte sie es mit dem Handy, doch es brachte natürlich nichts.
    »Damit kannst du mit jemandem sprechen?«, fragte er.
    »Das könnte ich«, gab sie zurück. »Wenn der Empfang nicht gestört wäre.« Ihr fiel etwas anderes ein. »Wohnen in diesem Haus nicht noch mehr Leute? Sie werden merken, wenn der Fahrstuhl nicht funktioniert. So spät ist es nicht. Vielleicht, wenn wir laut rufen …?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, hier wohnt niemand außer uns.«
    »Wer, uns? Du, Kunun und diese Atschorek?«
    »Atschorek hat eine Villa in den Hügeln.«
    »Ach ja, das hat sie mir erzählt.«

    »Kunun wohnt hier«, sagte er. »Und ich. Die anderen Schatten benutzen das Haus ebenfalls. Von denen wird niemand uns helfen.«
    »Uns?«, fragte sie zum zweiten Mal.
    »Du bist nicht die Einzige, die in die Falle getappt ist«, sagte er leise. Er pustete über seine aufgeschürften Fingerknöchel.
    »Eine Falle«, wiederholte sie. »Dann haben sie dich also nicht geschickt, um mit mir in den Fahrstuhl zu steigen?«
    »Ich gehe immer um diese Zeit aus dem Haus. Das weiß Atschorek.«
    »Du hättest die Treppe nehmen können.«
    Wieder lachte er leise. »In einer der ersten Nächte bin ich pausenlos mit dem Ding hoch und runter gefahren.«
    Wo kam der Typ her, wenn er fragen musste, ob man mit dem Handy Gespräche führen konnte? Wenn er eine kindliche Freude an Aufzügen hatte?
    »Ich muss aufs Klo«, murmelte sie. »Mist, hätte ich nur nicht so viel Tee getrunken.« Sie funkelte ihn herausfordernd an. »Wir sollten es so schnell wie möglich hinter uns bringen.« Noch während sie den Satz aussprach, schnürte es ihr die Kehle zu.
    »Ich habe gesagt, ich tu dir nichts.« Er stand auf und versuchte, die

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