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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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trank sie aus und setzte ihre Pirsch fort.
    In wie vielen Lokalen und Restaurants hatte sie gesessen, wie viel Tee hatte sie getrunken? Der Abend schritt voran, euphorisch fühlte sie sich schon lange nicht mehr. Sie wollte nur noch ins Warme, und einem spontanen Entschluss folgend, ließ sie sich vom Hinweisschild zur Metró locken und fuhr die lange Rolltreppe hinunter. Die gelbe Linie hatte die nettesten Stationen, mit Holz verkleidet wie ein alter Wohnzimmerschrank aus Eiche. Hier kam es ihr immer nicht ganz so hektisch vor wie auf den anderen Linien. Unten zögerte sie jedoch, denn der Gedanke, nach Hause zurückzufahren, war auf einmal der verlockendste von allen.
Vielleicht konnte sie ihre Gastfamilie dazu bewegen, sie nicht fortzuschicken. Vielleicht konnte sie sich mit Réka versöhnen. Vielleicht …
    Sie fasste den Entschluss, zum Déak tér zu fahren, wo alle Metró-Linien sich trafen; dort wollte sie sich endlich entscheiden, was sie tun sollte.
    Da wurde sie aus ihren trüben Gedanken gerissen. Kunun! Kunun, der in denselben Waggon stieg wie sie. Er sah nicht zu ihr hin, sondern blieb an der Tür stehen und hielt sich an einer der Halteschlaufen fest.
    Hannas Herz begann heftig zu schlagen. Wohin er wohl fuhr? Sie zog ihr Handy heraus und machte ein Foto, auf dem leider nur seine Nasenspitze zu erkennen war. Wenn sie Pech hatte, würde er jeden Moment aufblicken und sie bemerken, und dann … Aber er wandte sich zum Glück seiner Begleiterin zu. Ihr fiel erst jetzt auf, dass die Frau neben Kunun zu ihm gehörte. Sie war recht groß und trug einen Mantel mit Kapuze, sodass weder ihre Haare noch ihr Gesicht zu sehen waren. Doch sie beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Hanna konnte Kununs Profil betrachten, als er der Frau antwortete. Er lächelte. Hanna wagte nicht, noch ein Foto zu machen, weil sie befürchtete, er könnte es aus den Augenwinkeln heraus bemerken. Sie wollte alles vermeiden, was Kunun auf sie aufmerksam machen könnte.
    Am Déak tér stiegen die beiden aus. Hanna folgte ihnen, was im Gedränge gar nicht so einfach war. Einen Moment lang dachte sie schon, sie hätte das Paar verloren. Aber sie wechselten nur die Linie. Nachdem sie in einen graublauen Waggon gestiegen waren, sprintete Hanna los und zwängte sich schnell in den Wagen dahinter. Jetzt musste sie wirklich aufpassen, dass er ihr nicht entwischte. Doch sie war so von ihrem Glück berauscht, Kunun in dieser großen Stadt gefunden zu haben, dass sie fest daran glauben wollte, an ihm dranbleiben zu können. Sie würde ihr Foto bekommen.

    Astoria. Nein, hier stiegen Kunun und seine Begleiterin nicht aus. Hanna konnte die Leute draußen sehen, der Vampir war definitiv nicht dabei.
    Blaha Lujza tér. Auch nicht. Hanna wurde immer ungeduldiger. An der nächsten Station, dem Keleti pályaudvar, stiegen viele Fahrgäste aus, aber auch hier Fehlanzeige. Hanna entspannte sich schon, als sie die beiden auf einmal draußen auf dem Bahnsteig erblickte. Sie sprang aus dem Wagen, als sich die Türen bereits zu schließen begannen, und eilte dem Pärchen nach.
    Auf der Rolltreppe machte sie das nächste Foto. Die beiden, nur wenige Passanten von ihr entfernt, steckten die Köpfe zusammen. Die Frau lachte leise. Finstere Wut stieg in Hanna auf. Kunun hatte eine Freundin. Mit der kleinen Réka spielte er nur, in Wirklichkeit hatte er natürlich eine Freundin, eine schöne, erwachsene Frau.
    Vielleicht war die Fremde auch nur sein nächstes Opfer, eine Zufallsbekanntschaft. Oder eine alte Schulfreundin. Oder eine Kollegin. Was wusste sie schon? Selbst ein Foto von Kunun mit einer anderen Frau bewies überhaupt nichts, und Réka würde zu Recht sauer sein.
    Am Baross tér ragte die gewaltige Fassade des Ostbahnhofs in den Winterhimmel. Sie würden doch nicht etwa mit dem Zug fahren, wer weiß wohin? Hanna atmete erleichtert auf, als sie die beiden an einer Fußgängerampel sah. Sie folgte ihnen bei Grün hinüber, an einem Baustellenzaun entlang. Gegenüber einer kleinen Fast-Food-Filiale blieb Hanna stehen. Kunun hatte einen Arm um die Frau gelegt, die ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Das Paar ging an der Häuserzeile entlang.
    Hanna kramte in ihrem Mantel nach einem Taschentuch, weil ihr die Nase lief, und als sie wieder aufblickte, waren die beiden verschwunden. Die dicht an dicht stehenden Fassaden der Stadthäuser verrieten nichts. Ein Bettler schlurfte an Hanna vorbei und wühlte in einer Mülltonne.

    »Haben Sie

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