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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Finger in den Türspalt zu quetschen. Es nützte nichts; die Tür bewegte sich keinen Zentimeter.
    »Ich hasse dich, Kunun«, flüsterte er. »Ich hasse dich! Atschorek, und dich auch! Hörst du mich? Ich hasse euch!« Er war wieder laut geworden, und Hanna befürchtete einen neuen Tobsuchtsanfall.
    »Wer ist Kunun?«, fragte sie schnell, um ihn abzulenken. »Ist er so etwas wie euer Anführer? Der Meister der Vampire?«
    Der Junge blieb an der Tür stehen und lehnte sich schwer atmend dagegen. »Ja«, sagte er. »Der älteste Prinz des Lichts und nun der König der Schatten. Ja, er ist ihr Anführer.
Zusammen mit Atschorek. Die strahlende Prinzessin des Lichts. Sieht man es ihr nicht noch an? Dass sie in ein Schloss gehört, auf ihrem Haupt das goldene Diadem? Im Angesicht ihrer Schönheit sollte ganz Akink erstrahlen! Und was sind die beiden jetzt? Das dunkle Gespann, die Heerführer der Schatten. Das hier war Atschoreks Idee, darauf will ich wetten. Aber sie sind nicht meine Anführer. Ganz bestimmt nicht. Nicht meine. Hört ihr?«, rief er laut nach draußen, wo ihnen vielleicht jemand zuhörte und vielleicht auch nicht. »Ich werde euch nicht gehorchen! Ich lasse mich zu nichts zwingen!«
    »Wenn sie die Anführer der Schatten sind«, meinte Hanna, die von seiner Rede nicht die Hälfte begriffen hatte, »dann sind sie auch deine, oder nicht? Du hast selbst gesagt, du wärst ein Schatten. Was auch immer das ist.«
    »Nicht mit mir«, stieß der Junge hervor und schlug wieder gegen die Tür. »Nicht mit mir!«
    »Tut es nicht langsam weh?«, fragte Hanna und wies auf seine Hand, die wieder zu bluten begonnen hatte. »Hier, du kannst meinen Schal haben.«
    Er wickelte sich den Schal um die Hand, ohne sie anzusehen. »Ich gehöre nicht zu ihnen«, beharrte er. »Das werde ich nie tun. Ich werde nie sein, was sie sind.«
    Hanna lehnte den Kopf gegen die harte Wand und schloss die Augen. Mittlerweile musste sie so dringend, dass alles andere an Bedeutung verlor.
    »Jeden Abend gehe ich an den Fluss«, sagte er leise. Seine Stimme klang wieder näher; er musste sich auch hingesetzt haben. »Ich schreite über die Brücke, über das fließende Wasser. Ich steige zur Burg hoch und stelle mir vor, ich wäre wieder zu Hause. Es fühlt sich so vertraut an, die Steine um mich herum, der Himmel über mir. Alles ist anders, auf eine bestimmte Weise falsch, die ich nicht erklären kann … und doch ist es richtig so, und es ist kein fremder Ort für mich. Es ist fast Akink. Ich blicke über den
Fluss, auf die Lichter … Kein Wald, sondern ein Meer von Häusern. Keine Flusshüter. Keine Wölfe. Nur ich und die Stadt.«
    In seiner Stimme klang eine solche Zärtlichkeit mit, dass Hanna die Augen öffnete und ihn ansah. Auch er hatte sich hingesetzt und die Augen geschlossen, auf seinem eben noch vor Wut verzerrten Gesicht lag jetzt ein Ausdruck schläfrigen Friedens. Trotz des kalten, künstlichen Lichts wirkten seine Züge auf einmal weich und sanft und geradezu überirdisch schön. Er war verrückt - wie sonst hätte er solchen Unsinn von sich geben können? Und sie ebenfalls - wie sonst war zu erklären, dass sie ihn für einen Vampir hielt, der den Auftrag hatte, sie zu vernichten? Ohne nachzudenken, griff sie nach ihrem Handy und machte ein Foto von ihm. Bei dem Geräusch öffneten sich seine Lider, seine Hand schnellte vor und umfasste ihr Handgelenk. Sie schrie auf.
    Sofort ließ er sie los. »Tut mir leid. Ich dachte …«
    »Was dachtest du?« Hanna wich zurück in ihre Ecke und rieb sich die Haut. Sie fühlte sich ertappt, als hätte sie etwas Schlimmes getan. »Dass ich dich mit dem Handy erschlagen wollte?«
    Er schüttelte mit müdem Lächeln den Kopf. »Vergiss es. Was hast du getan?«
    Sie antwortete mit einer Gegenfrage: »Willst du meine Fotos sehen?«
    Das Bild, das sie eben von ihm gemacht hatte, klickte sie schnell weg. Stattdessen zeigte sie ihm die Aufnahmen aus dem Zoo. Die Affen. Atilla und Réka.
    »Ich kann es nicht zulassen«, sagte sie. »Réka ist zwar manchmal unerträglich, aber das hat sie nicht verdient.«
    »Das ist also Réka? Kunun hat von ihr gesprochen.«
    »Was hat er gesagt?«, fragte Hanna schnell. »Was hat er mit ihr vor? Warum … mein Gott, sie ist erst vierzehn! Kann er sich nicht eine andere suchen?«

    »Er hat kein Interesse an ihrem Körper, falls du das meinst.« Er wich ihrem Blick aus, musterte das Bild, auf dem Réka vor dem Wolfsgehege zu sehen war, so lange, dass ihr

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