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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Wasser war bestimmt viel zu kalt, um darin zu baden. Außerdem war niemand zu sehen, der im Fluss schwamm. Auf einer kleinen Eisscholle saß eine Möwe.
    Ja, es war ein Fluss. Aus irgendeinem Winkel ihres Verstands tauchte ein Name auf. Donau.
    Dann ein zweiter: Budapest.
    Ungarn. Nun wusste sie es wieder. Das Au-pair-Jahr in Ungarn. Sie hatte sich lange darauf gefreut. Jetzt war sie endlich angekommen. Nur warum war es so kalt? Sollte sie nicht im September beginnen?
    Hanna strich sich über die Stirn. Sie starrte auf die seltsamen Schuhe. Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie nicht echt waren. Keine Lederschuhe, sondern hartes, kaltes Metall. Und sie hatte sie schon einmal gesehen, wenn sie sich auch nicht erinnern konnte, wo und wann. Sie war schon länger hier. Sie kannte diese Stadt. Den Anblick der Brücken.

    Diese Stadt … und ihre Familie. Attila. Réka. Ferenc und Mónika. Das Haus. Ihr Zimmer. Langsam kehrte alles zurück. Hanna wusste zwar immer noch nicht, warum sie hier allein am Ufer der Donau stand, aber immerhin konnte sie allmählich einordnen, wer sie war und was sie in dieser Stadt tat.
    Sie blinzelte. Ihre Augen tränten von der Kälte. Mist, keine Taschentücher, obwohl sie doch sonst immer welche dabeihatte. Ihre Nase juckte. Der Hals brannte. Sie musste sich erkältet haben. Sie war krank.
    Warum war sie nicht im Bett, wenn sie krank war?
    Wie eine uralte Frau tastete sie sich langsam vorwärts. Ihre Augen tränten so stark, dass sie kaum etwas sehen konnte, mit dem Ärmel wischte sie sich darüber. Es fühlte sich an, als wären ihre Mandeln geschwollen. Wann hatte sie das letzte Mal eine Mandelentzündung gehabt? Es wollte ihr partout nicht einfallen.
    Mit vorsichtigen Schritten ging sie am Ufer entlang, auf die Kettenbrücke zu. Auf der linken Seite rauschten die Autos vorbei und erlaubten ihr kaum zu atmen. Dahinter die Fassaden großer Häuser, fremder Häuser, ein Dickicht, in dem sie sich verlieren konnte. Sie musste unbedingt nach Hause. Zögernd blieb sie stehen, Panik erfasste sie. Zu Hause - wo war das? Wo musste sie hin? Alles schien sich um sie zu drehen, sie schwankte, umklammerte einen Laternenmast wie eine Betrunkene. Erst als sich der Boden wieder fest anfühlte, ließ sie ihn los.
    Wie dumm. Jetzt wusste sie wieder, wo sie wohnte: in den Budahills, im zweiten Bezirk. Auch wenn sie noch keine Ahnung hatte, wie sie dort hinkommen sollte. Himmel, war das weit weg!
    Auf einmal fühlte sie sich von zwei starken Armen gehalten.
    »Na, dann kommen Sie mal.«
    Hanna merkte, dass jemand sie zu einem Auto führte,
dann lichtete sich der Schleier wieder ein wenig, und ihr wurde bewusst, dass sie ein Taxi vor sich hatte, das an einer Parkbucht wartete. Vor ihr die Brücke. Rechts der Fluss. Links die Straße und der rauschende Verkehr. Zu irgendeiner Zeit, in irgendeinem Leben, war sie schon einmal hier gewesen.
    »Ich hab kein Taxi gerufen«, sagte sie, obwohl sie sich nicht sicher war.
    »Ihr Freund war’s«, gab der Fahrer zur Antwort. »Hat sich Sorgen gemacht, ob Sie gut zu Hause ankommen.«
    »Aber …«
    »Da hinten steht er. Der Blondschopf da. Das ist doch Ihr Freund?« Der Mann winkte einmal kurz und bugsierte sie auf die hintere Sitzbank. »So, da rein. Zum Rosenhügel, richtig? Dann wollen wir mal.«
    Sie drehte sich um und starrte durch die Windschutzscheibe, um zu sehen, wem der Fahrer gewunken hatte, aber unter den vielen Menschen, die an der Uferpromenade unterwegs waren, fiel ihr niemand auf, den sie kannte. Es war seltsam - warum hätte Maik ihr ein Taxi rufen sollen? Maik war doch gar nicht da. Außerdem, fiel ihr ein, waren sie schon lange nicht mehr zusammen. Wieder stieg Panik in ihr auf. Das alles ergab überhaupt keinen Sinn.
    »Da wären wir.« Der Fahrer pfiff anerkennend durch die Zähne. In ihrer Manteltasche fand sie ihr Portemonnaie, doch er schüttelte den Kopf. »Ihr Freund hat mich schon bezahlt. Junge, Junge, das muss eine Nacht gewesen sein.«
    Der Mann stieg aus und öffnete ihr die Tür. Was auch immer ihr angeblicher Freund ihm gezahlt hatte, es war nicht zu wenig gewesen, denn er wartete sogar, bis sie mit zitternden Händen das Tor aufgeschlossen hatte.
    »Alles Gute!«, rief er ihr nach.
     
    Mónika lief dem Au-pair-Mädchen entgegen, bevor es die Haustür erreicht hatte.

    »Hanna! Hanna, Gott sei Dank, dir ist nichts passiert!«
    Verdutzt fand Hanna sich in einer kräftigen Umarmung wieder. »Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Wo warst du nur?

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