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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Was fällt dir ein, einfach nicht nach Hause zu kommen?«
    »Was?« Benommen schüttelte sie den Kopf. Die komplette Familie saß am Frühstückstisch, obwohl die Uhr schon halb elf zeigte. Ferenc, Réka, der vollgekrümelte Teller gehörte sicher Attila, und wie es aussah, hatte Mónika nichts gegessen.
    »Setz dich doch.« Ihre Gastmutter schob eilig einen Stuhl zur Seite. »Du siehst wirklich krank aus. Hast du Fieber? Darf ich?« Sie hielt eine Hand an Hannas Stirn. »Nein, anscheinend nicht.«
    »Wo warst du?«, rief Attila aufgeregt. »Mama wollte schon die Polizei rufen, aber Papa hat es nicht erlaubt. Weil du schon groß bist.«
    »Wir haben uns eben Sorgen gemacht«, verteidigte Mónika sich. »Es ist ja sonst nicht Hannas Art, einfach zu verschwinden. Und Mária hat jede Stunde angerufen und gefragt, ob du schon zu Hause wärst. Das hat uns natürlich erst recht nervös gemacht. Wo warst du denn?«
    Auf einmal waren alle still. Vier erwartungsvolle Augenpaare richteten sich auf sie.
    Hanna versuchte in ihrem Gedächtnis nach der Antwort zu graben, doch da war keine. Ihr fiel nur ein, was der Taxifahrer gesagt hatte: Muss das eine Nacht gewesen sein …
    »Ich - ich weiß es nicht.«
    »Du weißt nicht, wo du gewesen bist?«, fragte Mónika und runzelte die Stirn. »Na gut. Vielleicht sollten wir später über alles sprechen. Es wird sich mit Sicherheit alles aufklären. Nicht wahr?«
    Hanna, die das Gefühl hatte, dass sie überhaupt nichts Sinnvolles tun und sagen konnte, und nur ein unabänderliches Schicksal vor sich sah, dem sie nichts entgegenzusetzen
hatte, ging wie eine Schlafwandlerin gehorsam die Treppe hinauf.
    Sie setzte sich auf ihr Bett und schlug die Hände vors Gesicht. Nichts. Da war nichts. Alles weg, wie ausgelöscht.
    »Du warst bei Kunun, stimmt’s?« Réka hatte sich durch die offen gelassene Tür geschoben. Aus ihren Augen sprach die pure Verzweiflung, gemischt mit einer gehörigen Prise Zorn. »Deswegen willst du nicht sagen, wo du warst!«
    »Nein! Bei Kunun? Bestimmt nicht. Ich habe keine Ahnung, wo ich war.«
    »Was denn nun?«, höhnte Réka. »Wie kannst du wissen, dass du nicht bei ihm warst, wenn du gar nichts weißt?«
    Hanna hob die Hände und ließ sie wieder fallen. »Nur so ein Gefühl. Ich will nichts von deinem Kunun. Du kannst ihn gerne behalten.«
    »Mária hat gesagt, du wolltest Fotos machen.« Réka musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. »Zeig mir die Fotos. Dann werden wir es ja sehen.« Sie fragte nicht lange, sondern kramte Hannas Handy hervor und ließ es zum Leben erwachen. Eine Weile starrte sie darauf, dann reichte sie es Hanna.
    »Wer ist das denn?«
    Auf dem Foto war ein blonder Junge zu sehen, der die Augen geschlossen hielt. Er schien zu schlafen, sein schönes Gesicht wirkte erschöpft, aber um den Mund lag ein winziges Lächeln, als wüsste er genau, dass er gerade fotografiert wurde.
    Wieder war da die Stimme des Taxifahrers. Ihr Freund, der Blondschopf. Muss das eine Nacht gewesen sein, Junge, Junge.
    » Ich kenne ihn nicht«, flüsterte sie.
    »Warum grinst du dann so?«
    Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie gelächelt hatte.
    Réka stand da und wirkte auf einmal sehr verlegen. »Tja, dann … tut mir leid.« Sie schlüpfte aus dem Zimmer.

    Hanna merkte es gar nicht, sie starrte immer noch auf das Foto des Fremden und versuchte sich vorzustellen, dass sie die Nacht mit ihm zusammen verbracht hatte. Wie hätte es abgelaufen sein können? War sie ausgegangen und hatte ihn irgendwo kennengelernt? Sich von ihm ansprechen lassen? War sie einem Fremden in seine Wohnung gefolgt und hatte dort Drogen genommen, die einen völligen Blackout verursacht hatten?
    Das alles passte nicht zu ihr. Nie im Leben wäre sie einfach so mit einem Fremden mitgegangen, auch wenn er so süß aussah wie dieser blonde Junge hier. Süß und harmlos.
    Wann hatte sie das Foto aufgenommen? Vorher? Nachher?
    Sie schüttelte den Kopf. Was für ein Unsinn. So war sie nicht. Vielleicht hatte sie ihn irgendwo in der Metró fotografiert. Hinter ihm schien so etwas wie eine Scheibe zu sein. Irgendein Fremder in der U-Bahn.
    Ein - was war das, ein Fahrstuhl? Sie klickte sich durch die anderen Fotos. In der glänzenden Scheibe erkannte sie schemenhaft sich selbst. Knöpfe, Fahrstuhlknöpfe. Ein mehrstöckiges Gebäude also. Ein Innenhof, Balkongitter, Wohnungstüren. Eine große Eingangstür, über der ein monströser Löwenkopf prangte. Ein Straßenschild. Ein großes Gebäude -

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