Magyria 02 - Die Seele des Schattens
Licht ist stärker!«, schleuderte er dem Feind seine Hoffnung entgegen, seine verzweifelte Hoffnung, an der er bis zum Schluss festhalten wollte und die dennoch verging – so, wie der Schatten hätte vergehen sollen.
Noch ein Schritt.
Da sprang ein junger, dunkelhaariger Mann vor ihn hin und schwenkte wild eine Fackel, die den Schatten zurückspringen ließ. Er knurrte wie ein Tier, duckte sich und versuchte von der Seite an den König heranzukommen.
»Majestät, schnell!«
Farank wandte sich um. Mirita streckte ihm die Hand entgegen, aber er zögerte. »Mein Licht muss sie vertreiben«, sagte er.
»Eure Hand! Sofort!«
»Wenn ich gehe, sind meine Soldaten verloren.« Er hielt die Hoffnung fest, die sich doch schon aufgelöst hatte; es war, als würde er seine Hände um eine Rauchsäule krallen. »Niemand flieht! Wir vernichten sie ein für alle Mal!«
Er wollte sich wieder in den Kampf stürzen, als ihn ein Schlag von hinten in die Dunkelheit warf. Farank krachte zu Boden, zwischen Tote und lebendig aussehende Soldaten, die benommen dasaßen, ihre Bisswunden betasteten und verwirrt das Blut auf ihren Händen betrachteten. Kleine Wölfe sprangen zwischen ihnen umher und versetzten die Pferde in Angst und Schrecken.
Piet war es gelungen, die Kleidung des Angreifers mit seiner Fackel zu entzünden. Schreiend wälzte sich der Schatten am Boden, um die Flammen zu löschen. Piet nutzte die Gelegenheit, um nach Mirita zu sehen. Er wollte seinen Augen nicht trauen.
»Was hast du gemacht!«, schrie er. »Du hast den König umgebracht!«
»Ich rette ihm gerade das Leben. Hilf mir, wir müssen ihn aufs Pferd heben.«
Piet stöhnte, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als mitzumachen. Gemeinsam hoben sie den Bewusstlosen auf und hievten ihn über den Pferderücken.
Mirita schwang sich hinter ihm in den Sattel. »Los, beeil dich«, sagte sie. »Machen wir, dass wir zurück in die Stadt kommen.«
»Er hat gesagt, wir dürfen nicht fliehen. Wir sollen kämpfen.«
»Das ist Selbstmord. Du kommst jetzt mit – was soll ich denn tun, wenn ich angegriffen werde? Ich brauche dich.«
Das gab den Ausschlag. »Sie werden uns in Unehren aus der Patrouille werfen«, murmelte Piet wütend, während er neben ihr über den Waldweg preschte. »Wir kommen vor ein Kriegsgericht. Und du hast dich an der Person des Königs vergriffen, Mirita, ich fasse es einfach nicht.«
Die Pferde galoppierten unter herabhängenden Zweigen hindurch, hinter ihnen das Geheul, das Klirren von Schwertern, das Stampfen fliehender Streitrösser.
DREI
Budapest, Ungarn
Um den Innenhof wanden sich fünf Stockwerke, alle mit zahllosen Lichtern bestückt. Von überallher ertönte Musik. Mattim erhaschte einen Blick auf einen Geiger, der hinter dem dunkelblauen schmiedeeisernen Geländer des ersten Stockwerks auf und ab ging und dabei seinen Bogen temperamentvoll über die Saiten hüpfen ließ. Die Tänzer im Hof und überall in den Gängen mochten den Mädchen wie ausgelassene Menschen vorkommen, er dagegen erkannte sie als Kununs Schattengefolge.
Sie waren wieder da, alle! Obwohl er und sein Vater die Pforte geschlossen hatten, obwohl sie alle drüben in Magyria hätten sein müssen, für immer verbannt aus dieser Welt.
Valentina wippte mit dem Fuß. »Wir sind eingeladen?«, fragte sie. »Echt?«
»Amüsiert euch«, sagte Atschorek. »Schaut euch alles an. Das Büfett ist im dritten Stock aufgebaut. Geh ruhig mit, Réka. Für dich habe ich später noch eine besondere Überraschung.«
Réka ließ es zu, dass ihre Freundinnen sie an der Hand fassten und mit sich zogen.
Valentina drehte sich noch einmal um. »Aber nachher tanzt du mit uns«, rief sie Mattim zu. »Versprochen?«
Es gelang ihm kaum, ihnen zuzulächeln. Er wandte sich Atschorek zu, die ihn am Arm festhielt. Als wäre das nötig gewesen.
»Du kannst mich loslassen«, sagte er leise. »Ich werde nicht weglaufen.«
»Nein, das wirst du nicht«, bestätigte sie.
»Wo ist er?«
»Hier.« Im Durchgang zum Hof stand Kunun. Seine dunklen, mandelförmigen Augen waren ruhig und ernst auf Mattim gerichtet; kein Gefühl war darin zu lesen. Sein Antlitz war schön wie immer, wie früher. Als hätte er niemals Rékas Tod beschlossen, als hätte es ihren Kampf im Eis nie gegeben, als hätte Mattim ihn nicht geschwächt am Ufer des Donua zurückgelassen und gedacht, es sei für immer.
Der Schattenprinz hob die Hand und schlug seinem jüngeren Bruder fest ins Gesicht.
Mattim blieb stehen. Ihm
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