Magyria 02 - Die Seele des Schattens
würde dunkel bleiben. Der König ist betagt, und die Königin wird keine Kinder mehr bekommen. Sie werden beide immer älter und schwächer, und irgendwann wird das Licht verlöschen.«
»Der König des Lichts wird nie alt«, behauptete Piet unerschrocken. »Er wird für alle Zeiten auf dem Thron von Akink sitzen.«
»Er ist uralt, aber nicht unsterblich«, murmelte Mirita so leise, dass ihr Kamerad sie nicht hörte. Merkwürdig , dachte sie, dass die anderen so voll blinden Vertrauens sind. Sehen sie denn nicht, dass es enden muss? Das Licht stirbt aus, und wir werden im Dunkeln zurückbleiben, verwaist, und unsere Träume nicht mehr finden.
So düster war ihr zumute, dass sie an der allgemeinen Hoffnung nicht teilhatte. Sie befand sich mittendrin und konnte doch das Gefühl nicht abschütteln, dass sie nur dabei zusah, wie die Soldaten in den Krieg zogen. Dass sie nicht wirklich dazugehörte.
Sie starrte auf die Rücken der Reiter vor ihr, auf die breiten Hinterteile der Pferde. Wir sind zu wenige , dachte sie auf einmal, nie im Leben haben wir eine Chance. Der König führt uns in die Nacht, aus der es keine Wiederkehr gibt.
Farank war guten Mutes. Noch hatte sich kein einziger der Feinde gezeigt, das war auf jeden Fall schon mal ein gutes Zeichen. Sie verkrochen sich, zitterten in ihren Schlupfwinkeln … Die dreihundert Soldaten, die er in die Wälder führte, würden einen breiten Streifen Land von den Schatten befreien.
»Da sind wir«, sagte der Monarch zu Hauptmann Solta, als sie die große Wegkreuzung erreicht hatten. Von hier aus führte die Straße zu den Städten, in die schon seit langer Zeit keiner mehr reiste und aus denen auch niemand nach Akink kam. »Wir teilen uns auf und reiten in einer langen Reihe durch den Wald. Wie besprochen.«
»Ja, Herr«, bestätigte Solta, »niemand darf alleine sein. Wir treiben sie auf den Fluss zu, in dem sie verbrennen. Für das Licht!« Er hob die Hand und stieß den Schlachtruf aus. »Für das Licht! Für Akink!«
Die Soldaten lösten die Formation auf, um sich entlang der Straße zu verteilen, doch während sie noch dabei waren, erscholl plötzlich ein vielstimmiges Geheul aus dem dunklen Schatten zwischen den Bäumen, ein Geschrei, so laut und misstönend, dass die Menschen wie erstarrt innehielten. Im selben Moment quoll eine dunkle Flut aus dem Dickicht – Wölfe und menschliche Gestalten – und ergoss sich über den Trupp des Königs. Mit der Gewalt eines Sturms kamen die Feinde über die Akinker. Wölfe rissen im Sprung die erschrockenen Reiter aus dem Sattel, Männer und Frauen, die man auf den ersten Blick für normale Menschen gehalten hätte, stürzten sich über die Gefallenen. Schreie brandeten auf.
»Flieht!«, rief Solta dem König zu, der einen Augenblick lang wie gelähmt zusah.
Doch Farank schüttelte den Kopf. »Ich bin ihre einzige Hoffnung!«, rief er. »Denn vor mir werden die Schatten sich scheuen!«
Er zwang sein Pferd vorwärts, ins Getümmel.
»Los!«, schrie Piet. »Auf sie!«
Begeisterung erfüllte ihn. Waren sie nicht deshalb hergekommen – um gegen die Schatten zu kämpfen? Er benutzte seine Fackel wie ein Schwert und trieb die Gegner auseinander. »Nimm das! Und das!«
Doch Mirita packte ihn am Arm. »Den König!«, rief sie. »Wir müssen Farank nach Akink bringen!«
Piet stutzte, aber als er die Frau seines Herzens dorthin reiten sah, wo der Kampf am schlimmsten tobte, seufzte er und folgte ihr.
Farank sprang vom Pferd. Genau vor ihm rang einer der Angreifer mit einem jungen Soldaten, der sich verzweifelt gegen den verhängnisvollen Biss wehrte.
»Weiche!«, schrie der König und streckte die Hände aus. Die Berührung würde dem Vampir unvorstellbare Schmerzen zufügen, ihn verbrennen … Der Schatten hob den Kopf und schenkte dem König des Lichts einen kurzen, intensiven Blick, dann ließ er von seinem Opfer ab und trat mit einem frechen Grinsen auf den Herrscher zu.
»Das kann nicht wahr sein«, rief dieser. »Du musst fliehen! Du musst vergehen! Du musst dich in den Staub werfen und verbrennen!«
»Ach«, meinte der Schatten, »muss ich das?«
Noch ein Schritt. Und noch einer. Der König wich zurück. Jetzt gab es nur noch sie beide. Der Fremde sah ohne eine Waffe in der Hand geradezu harmlos aus, bloß wie ein Mann mittleren Alters, den man sich als einfachen Bauern vorstellen konnte, der nach getaner Arbeit zu seiner Familie zurückkehren würde. Und doch empfand Farank ein Grauen wie nie zuvor.
»Das
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