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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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dritten, neben einem langen Tisch, überladen mit Flaschen, Karaffen, Gläsern und Schüsseln, lachte Dorina einen jungen Mann an, der ihr gerade ein Glas einschenkte. Mit Sicherheit irgendetwas, was sie mit ihren vierzehn, fünfzehn Jahren noch gar nicht trinken durfte.
    Mattims Blick glitt weiter nach unten, bis in den Innenhof. Dort stand Kunun, eine dunkle, reglose Gestalt inmitten der Tanzenden. Ein hübsches, sehr junges Mädchen mit kurzen Haaren kam gerade langsam aus dem Eingangsgewölbe in den Hof und starrte den Schattenprinzen gebannt an. Er breitete die Arme aus, sodass er dastand wie ein finsterer Engel, und das Mädchen warf sich an seine Brust. Die schwarzen Schwingen schlossen sich um sie.
    Mattim biss die Zähne zusammen, und seine Hand umkrallte den Griff des Schwertes so fest, dass die Fingerknöchel weiß wurden, dann wandte er sich ab und kehrte zu Atschorek zurück.
    »Ich hab dich vermisst, kleiner Bruder«, sagte Atschorek, als sie den Wagen in den Verkehr einfädelte. »Ehrlich.«
    Mattim schüttelte lächelnd den Kopf. »Das glaube ich kaum. Ich glaube eher, du hättest mich gerne in den Innenhof gesperrt und gewartet, bis der Blutschutz nachlässt und die Sonne mich verbrennt. Du hättest dir einen Logenplatz im ersten Stock gesichert, damit dir nichts entgeht.«
    »Das klingt, als hätte es Spaß machen können«, gab Atschorek ungerührt zu. »Aber es geht hier um mehr als um ein paar genussvolle Momente.«
    »Ich werde nicht für euch kämpfen«, sagte Mattim. »Und ich glaube auch nicht an Prophezeiungen. Weder mein Leben noch mein Sterben wird euch irgendetwas nützen. Wenn du mich deswegen aufnimmst, kannst du es gleich bleiben lassen.«
    Atschorek sah nach vorne, während sie den BMW durch die verstopften Straßen lenkte.
    »Wenn du Kunun nicht das Leben gerettet hättest, wärst du längst tot«, sagte sie. »Nur deshalb bist du noch hier. Ich war drauf und dran, dich zu packen und im Fluss zu versenken, als ich gemerkt habe, dass du in Budapest bist. Zuerst dachten wir, du seist in Akink geblieben. Zuzutrauen war es dir ja. Dich beim Licht anzubiedern und heldenhaft daran zugrunde zu gehen.«
    »Wie habt ihr mich gefunden?«, fragte Mattim.
    »Hanna«, antwortete Atschorek. »Sie sah ein bisschen zu glücklich aus für eine verlassene Braut. Ich bin da gewesen, wenn du es genau wissen willst.«
    »Im Haus?«
    »Du bist nicht der Einzige, der durch Wände gehen kann.«
    Mattim schluckte.
    »Kunun will, dass du lebst«, sagte sie. »Es gibt recht wenig, was ihn beeindrucken kann, aber an seinem Leben hängt er nicht weniger als wir alle. Du hättest ihm jedoch sagen können, dass du ihn aus reiner Verehrung gerettet hast. Oder wenigstens, weil er dein Bruder ist. Sogar bei den Schatten zählen Familienbande noch etwas.«
    »Ach?« Mattim hob die Brauen, kommentierte die Behauptung aber nicht weiter.
    »Ich würde sagen, ihr seid quitt«, verkündete Atschorek fröhlich, als freute sie sich schon auf den nächsten Schlagabtausch.
    Mattim kannte seine Schwester gut genug, um sich nicht darüber zu wundern, dass sie erst Mordpläne gehegt hatte und ihm nun ein Quartier anbot. Sie hatte ihn schon einmal übel zugerichtet und kurz darauf hingebungsvoll verarztet. Bei ihr zu wohnen war gefährlich, aber die Tatsache, dass sie bei den Szigethys eingedrungen war, genügte ihm, um sich nicht länger gegen den Umzug zu wehren. Die ganze Zeit verkniff er sich die Frage, die ihm auf dem Herzen lag: Wie sind Kunun und die Schatten zurückgekommen, obwohl die Pforte geschlossen war?
    Alles, wofür er gekämpft hatte, wofür er sein und Hannas Leben riskiert hatte, war umsonst gewesen. Er sah aus dem Fenster, die Hand an seiner Wange, dort, wo Kunun ihn geschlagen hatte. Es wäre nicht nötig gewesen. Kunun hatte ihn allein dadurch geschlagen, dass er wieder hier in Budapest war. Gerade so brachte Mattim es fertig, mit Atschorek zu plaudern, als ob nichts wäre, sich nicht anmerken zu lassen, wie er sich wirklich fühlte. So, als hätte man ihn grün und blau geprügelt und seinen geschundenen Leib vor die Tür gekippt, wo er darum kämpfte aufzustehen. Dabei hatte er sich noch nie so müde gefühlt.
    Freudlos nickte er, während seine Schwester ihn durch ihre Villa führte und ihm zeigte, wo er schlafen konnte.
    »Falls du überhaupt schläfst«, fügte sie hinzu, denn so wie die Schatten weder essen noch atmen mussten, sondern es häufig nur aus reiner Gewohnheit taten, war auch Schlaf nichts,

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