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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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was sein verwandelter Körper einforderte.
    »Ja«, sagte er. »Ich schlafe.« Er sehnte sich danach, die Augen zuzumachen und zu vergessen, was er gesehen hatte. Ein Haus voller Vampire. Ein Heer, das Kunun immer noch gegen Akink einsetzen konnte, gesättigt mit menschlichem Blut. Kunun, der Réka in die Arme schloss. Die beiden Teenager, die sich irgendwann verwirrt auf der Straße wiederfinden würden, ohne zu wissen, was geschehen war.
    »Hier ist sogar ein Badezimmer«, verkündete Atschorek stolz. »Falls du isst.«
    Der Leib eines Schattens benötigte keine Nahrung, aber wenn man sie ihm zuführte, verdaute er sie brav, wie es sich gehörte.
    »Ja«, sagte er nur.
    »Das wäre dann auch schon alles. Willst du Hanna anrufen? Ich habe unten ein wunderschönes, altmodisches Telefon. Geradezu antik.«
    Er schüttelte den Kopf. Sosehr ihm danach war, sich trösten zu lassen, so sehr ging es im Moment über seine Kräfte, Hanna zu erzählen, dass sie wieder ganz am Anfang standen.
    Hanna beobachtete, wie Mattim mit Atschorek aus dem Haus kam, im Arm eine zusammengerollte Decke, in der wohl seine Habseligkeiten steckten. Sein Gesicht war dermaßen düster und leer, dass der Ruf ihr in der Kehle erstarb und sie den schon ausgestreckten Arm wieder sinken ließ. Er hatte sie nicht bemerkt. An der Seite seiner Schwester wirkte er mit dem abwesenden Blick wie ein Schlafwandler.
    Sie musste ihn nicht fragen, was ihm so zusetzte. Die hell erleuchteten Fenster, die Musik, die bis nach draußen auf die Straße drang, sprachen eine deutliche Sprache. Die Vampire waren wieder da.
    Was wohl schlimmer war? Zu unterliegen und es zu wissen oder zu glauben, dass man gesiegt hatte, und dann erst zu erfahren, wie sehr man sich darin getäuscht hatte?
    Sie hatten sich geirrt. In allem. All ihre Hoffnung, die sie in das Schließen der Pforte gesetzt hatten, war verschwendet gewesen. Entweder war es dem König des Lichts nicht so vollständig wie gedacht gelungen, den Übergang zu vernichten, oder Kunun war in der Lage, sich jederzeit eine neue Pforte zu dieser Welt zu erschaffen.
    Der Schmerz in ihrer Brust fühlte sich dumpf und unwirklich an, so, als sei sie nach einem langen Albtraum erwacht, nur um festzustellen, dass die Wirklichkeit genau dieselben Schrecken bereithielt. Sie stand da und starrte auf die Fenster, auf den grinsenden Löwenkopf über der Eingangstür, und fragte sich, wann sie den Mut aufbringen würde, dort anzuklopfen.
    Sie brauchte es nicht, denn die Tür öffnete sich von selbst. Die blond gelockte Frau, die, wie Hanna wusste, Goran hieß, steckte den Kopf hindurch, sah sich kurz um und winkte sie näher.
    »Prinz Kunun wartet schon auf dich.«
    Hanna fühlte, wie sich Kälte in ihr ausbreitete. Sie hatte geahnt, dass die Begegnung mit dem Schattenprinzen bevorstand, aber in diesem Moment wünschte sie sich, es wäre nicht gerade jetzt gewesen. Sie wünschte sich, sie könnte kehrtmachen, zur Metró-Station laufen und wegfahren … oder gleich in einen Fernzug steigen und verschwinden, fort aus Budapest, aus Ungarn, am besten aus Europa. Aber eine Einladung Kununs schlug man nicht aus.
    Sie nickte und schritt unter dem Löwen hindurch in dieses Haus, von dem sie geglaubt hatte, sie müsste es nie wieder betreten. Mitten hinein in ein Fest, ins Schrillen der Geigen, ins Stimmengewirr, das wie ein zorniger Bienenschwarm klang. Dort im Innenhof standen die beiden, die sie nie wieder zusammen hatte sehen wollen. Réka, den Kopf an die breite Brust eines Mannes gelehnt, in ihrem Gesicht pure Seligkeit. Und der Prinz in dem schwarzen Mantel, der Hanna nur anschauen musste, um ihr den Boden unter den Füßen wegzureißen. Sie sah ihn an und wünschte sich aus ganzem Herzen, er wäre tot. Für diesen bösen Gedanken konnte sie sich nicht einmal schuldig fühlen.
    »Du fährst jetzt nach Hause, meine Liebe«, sagte Kunun zu Réka, löste sie von sich und reichte sie an Goran weiter. »Jemand soll sie und die beiden anderen Mädchen zu den Szigethys bringen. Beißt die Musiker, und werft sie auf die Straße, ich bekomme langsam Kopfschmerzen von dem Gedudel. Und dann verschwindet, alle. Ich will hier niemanden mehr sehen.«
    Hanna rührte sich nicht. Gebannt verfolgte sie, wie sich die Gänge leerten. Eine Geige nach der anderen verstummte, bis schließlich der letzte Ton in einem Seufzer verklang. Mit beeindruckender Geschwindigkeit wurde Kununs Befehl ausgeführt. Stockwerk für Stockwerk verlöschten die Lichter, als

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