Magyria 02 - Die Seele des Schattens
ein Vampir ist.«
»Ich meinte, dass er eventuell richtig tot ist. So tot, wie er es gewesen wäre, wenn er dir nach in den Fluss gesprungen wäre.«
Réka starrte Hanna entgeistert an. »Du sagst mir erst, dass er mich doch liebt, und dann, dass er tot ist?«
DREIUNDZWANZIG
Budapest, Ungarn
»Mattim. Hier bist du also.«
Atschorek war vor der Badezimmertür aufgetaucht und lehnte den Kopf gegen die Zarge. Eine Weile sah sie zu, wie Mattim versuchte, sein Gesicht wieder herzurichten. Er kämmte seine Haare über die Stirn und über die Wangen, schob sie wieder zurück, dann seufzte er und knallte den Kamm ins Waschbecken.
»Was erwartest du? Dass ich dir mein Beileid ausspreche? Dass ich dich um Verzeihung anflehe? Wofür? Muss ich auf Knien vor dir herumrutschen, weil Kunun sich selbst in diese Lage gebracht hat?«
»Sich selbst? Mir scheint, du verwechselst da etwas.«
»Wer hat denn Hanna nach Akink geschickt?« Er krallte sich mit beiden Händen am Becken fest, um sich nicht vor Wut auf sie zu stürzen. »Ich kann es immer noch nicht fassen, was ihr getan habt!«
»Kunun hat sein Leben riskiert, um das deine zu retten«, erinnerte Atschorek. »Und du ziehst nicht einmal in Erwägung, dasselbe für ihn zu tun?«
»Du weißt nicht, wie es war, drüben in Akink. Sie hätten uns alle in der Luft zerrissen, wenn sie uns in die Finger bekommen hätten. Kunun ist tot.«
»Das wissen wir erst dann mit Sicherheit, wenn wir drüben sind. Wir gehen auf jeden Fall rüber, mit dir oder ohne dich.«
Erst jetzt bemerkte er, dass ihr Gesicht nicht von Trauer verzerrt war, sondern von etwas anderem, von einer fiebrigen Erwartung, einer Anspannung, die Angst in sich trug, aber keine Traurigkeit.
»Wir haben die Pforte«, sagte Atschorek. »Auf der richtigen Seite. Ich werde Akink einnehmen, Mattim, ob du mir nun dabei hilfst oder nicht. Wilder ist immer noch im Labyrinth. Wir können Hunderte neuer Pforten erschaffen, wenn er mitmacht. Was, kleiner Bruder, willst du dagegen tun?«
Er wandte sich ihr wieder zu, obwohl er sie am liebsten aus dem Zimmer geworfen hätte oder, wenn er ehrlich war, aus dem Haus. Aber dies war ihr Badezimmer. Und ihre Villa. »Die Stadt ist schwieriger zu erobern, als du dir ausmalst. Noch einmal werden die Akinker sich nicht überrumpeln lassen.«
»Kleiner Bruder bringt den Sieg«, murmelte sie.
»Ich dachte, du glaubst nicht an Prophezeiungen und solchen Quatsch?«
Mattim fragte sich, warum sie so versessen darauf war, dass er sie bei diesem Unternehmen unterstützte. Bei den Schatten gab es genug Männer und Frauen, die aus der Akinker Wache stammten und sie beraten konnten.
»Vielleicht ist Kunun doch noch am Leben. Vielleicht können wir ihn immer noch retten. Willst du wirklich so tun, als ginge dich das alles nichts an? Ich dachte, dass er dir trotz allem etwas bedeutet.«
Mattim zögerte. Die Frage, was Kunun ihm bedeutete, war eine der schwersten überhaupt. Es ließ ihn nicht kalt, wenn er sich vorstellte, dass dieselben Soldaten, von denen sie mit Waffen und Feuer durch die Stadt gejagt worden waren, den Schattenprinzen in die Finger bekommen hatten. Wenn er sich an den Moment erinnerte, als die Wächter ihn und Hanna im Verlies töten wollten und Kunun plötzlich aufgetaucht war … Die Erleichterung, die Dankbarkeit, die er empfunden hatte, ließ sich nicht leugnen oder vergessen. Das Gefühl, auf derselben Seite zu stehen, war ein gutes Gefühl …
»Ihr wart bereit, Hanna zu opfern«, sagte er schließlich. »Damit seid ihr zu weit gegangen. Ich werde dir nicht helfen, Atschorek.«
Wutschnaubend drehte sie sich um und rauschte davon. Er hatte damit gerechnet, dass sie ihn vorher noch aus dem Haus werfen würde, aber die Zeit nahm sie sich nicht. Sollte sie sich doch in diesen Kampf stürzen! Konnte es gelingen? Hatten die Akinker überhaupt irgendeine Chance gegen Feinde, die aus dem Nichts über sie herfielen?
Mattim runzelte die Stirn und begegnete seinem eigenen Blick im Spiegel. So ernst sah er aus, so besorgt, und leider so malträtiert, dass er seine Wunden nicht vollständig verbergen konnte. Versuchsweise verzog er den Mund zu einem Lächeln. Es misslang kläglich. Was hatte er zu Hanna gesagt – sie wollten sich am Nachmittag treffen? Er hielt unwillkürlich nach einer Uhr Ausschau, fand in der Umgebung keine und entschied, dass es bestimmt schon spät genug war.
Am helllichten Tag musste auch ein Schatten am Tor klingeln. Und da war das Lächeln, nach
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