Magyria 02 - Die Seele des Schattens
ihrer Begegnung? So wie Kununs? Aber nach der Flucht durch Akink sah Mattim jetzt schon schlimmer aus als sein ältester Bruder. Nicht wie Zoltan. Bitte nicht wie Zoltan …
» Und wenn er nicht tot ist?«, fragte Réka. »Was machst du dann? Suchst du ihn dann auch? Wirst du kämpfen, um ihn zu befreien?«
»Pst. Kein Wort mehr.« Mattim dämpfte seine Stimme. Er wollte sich nicht ablenken lassen. Alle seine Sinne musste er darauf ausrichten, den Wolf zu hören, zu riechen, seine Gegenwart zu fühlen.
»Wilder?« Die Ohren spitzen, drehen – wenn das möglich gewesen wäre! –, wittern. Pfoten auf Gestein … Schatten zu Schatten. Eine noch größere Dunkelheit, wandelnder Wahnsinn. Da schlich er heran und wusste nicht mehr, wer oder was er war. Mattim verbot sich jegliches Mitleid, als er in seine Tasche griff und den Schocker herausholte.
»Bleib hinter mir«, flüsterte er und hoffte, dass Réka so vernünftig war, ihm wenigstens diesmal zu gehorchen. »Wilder«, lockte er, »komm zu mir … Komm, sei brav, komm zu mir.«
Der Wolf blickte an ihm vorbei auf das Mädchen. Er starrte auf Réka und stieß ein Winseln aus, das wie eine Frage klang.
»So ist es gut. Komm …«
Sehr langsam zog er das Gerät aus der Tasche. Seine Finger streckten sich – und dann warf Réka sich von hinten über ihn, und sie rollten gemeinsam über den Boden. Der Wolf sprang über sie beide hinweg und verschwand in der Dunkelheit.
»Verflucht.« Mattim rappelte sich auf. »Bist du völlig verrückt geworden?«
»Vielleicht braucht Atschorek ihn noch«, sagte Réka. »Um weitere Türen zu öffnen.«
»Das wäre Akinks Untergang.«
»Was kümmert mich Akink!«, rief das Mädchen. »Was, wenn Kunun noch irgendwo dort ist? Irgendwo da?« Sie wedelte mit den Händen in der Luft herum. »Irgendwo. Er muss da sein, ich fühle es.«
Mattim ließ sie stehen und lief den Gang hinunter, während er Ausschau nach dem Wolf hielt. Vielleicht gewährte Wilder ihm eine weitere Chance. Doch da hörte der Prinz schon Rufe – vom Ausgang her. Durch die Felsen hindurch rannte Mattim auf dem kürzesten Weg den Schreien nach.
»Er ist raus! Da raus!« Goran gestikulierte wild. »Mattim, ist dir noch zu helfen? Du treibst Wilder nach draußen, ins Burgviertel? Einen Schattenwolf?«
»Oh Gott.« Hanna tauchte aus dem Teeraum auf. »Mattim, was ist passiert?«
Er nahm sich nicht die Zeit zu antworten, sondern flog förmlich die steilen Stufen hinauf. Draußen auf der Straße blickte er nach rechts und links – keine Spur von seinem bepelzten Bruder.
Hanna tauchte hinter ihm auf. »Er ist doch nicht wirklich weg?«
Mattim rann es kalt den Rücken hinunter. »Doch, das ist er. Ob es gut oder schlecht ist?« Er lachte unfroh. »Kommt drauf an, für wen. Ob es für Akink noch relevant ist, dass es keine neuen Pforten geben wird? Falls Atschorek nicht so erfolgreich ist, wie sie hofft, ist das gut … Aber ich wollte Wilder betäuben, in den Kofferraum laden und zu Kununs Haus fahren! Ich wollte ihn zurückbringen! Wie soll ich ihn hier finden – in einer Stadt wie dieser?« Er wollte Hanna nicht das ganze Ausmaß seiner Verzweiflung zeigen, aber die Panik in seinen Augen sagte ihr genug.
»Man wird ihn jagen und umbringen«, flüsterte sie.
»Ja, wenn wir ihn nicht vorher finden. Sollte er jetzt am Tag jemanden beißen, werden diejenigen sofort in der Sonne verbrennen. Beim Licht, Hanna, ich hätte eine Wache aufstellen sollen. Ich hätte nicht erwartet, dass er zur Treppe fliehen würde. Er ist kein Mensch mehr!«
»Vielleicht mehr, als wir gedacht haben«, überlegte sie. »Lass uns keine Zeit verlieren und nach ihm suchen!«
»Konntest du deine Landsleute überzeugen?«, fragte er.
»Nicht wirklich. Sie glauben an einen Gag mit versteckter Kamera oder so etwas … Mehr als gut zureden kann ich ihnen nicht. Lass uns lieber nach Wilder suchen, bevor es noch mehr Opfer gibt!«
Mattim zögerte, er blickte zurück, die Treppe hinunter. Gab es noch irgendetwas, was er für Akink tun konnte?
Hanna entging nicht, wie zerrissen er sich fühlte. »Wenn Atschorek die Schatten durch die Pforten geführt hat, kannst du nichts mehr ausrichten. Los, wir suchen Wilder. Komm, Mattim. Es sind die Unschuldigen, die wir retten müssen.«
Er hielt sich an ihrem Blick fest, an den wissenden braunen Augen, die mit dieser Erde verbunden waren und doch immer noch träumen konnten.
»Du hast recht«, sagte er leise. »Meinen Bruder zu retten und die
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