Mahlers Zeit
Probleme der ... Gäste: der Wissenschaftsminister; Ron Löbel, der berühmte Autor; der Präsident des Institutes für ... der Vorsitzende von ... als Eröffnungsredner Boris Valentinov, Träger des ... Die Eröffnung ist morgen mittag.
»Komm!« sagte David. Er klemmte die Zeitung unter den Arm und ging hinaus. Die Haushälterin sah ihm nach.
»Haben Sie vielen Dank«, sagte Marcel, »es ist wirklich sehr wichtig.«
»Gehen Sie jetzt?«
»Natürlich.« Marcel trat auf den Gang hinaus. »Sagen Sie bitte: Wie sieht er aus?«
»Wer?«
»Professor Valentinov.«
Sie strich sich über ihre Brust, zog ihren Kittel zurecht. »Ich weiß nicht.«
»Sie müssen ihn doch kennen.«
»Ich bin noch nicht lange hier.«
»Aber Sie haben ihn doch schon gesehen!«
»Ich weiß nicht«, murmelte sie, »ich weiß nicht.« Sie warf Marcel einen erschrockenen Blick zu und schlug die Tür zu. Ihre Schritte entfernten sich, ein leiser werdendes Schlurfen. Marcel blieb stehen und starrte auf die geschlossene Tür. Er hob die Hand, um noch einmal zu klopfen, dann ließ er sie wieder sinken. Er schüttelte den Kopf, sah den Lift an, entschied sich für die Treppe.
Das Treppenhaus war aus grauem Marmor und völlig sauber, und Marcels Schritte hatten einen dunkel hallenden Klang, und alle Stockwerke sahen gleich aus. Als er auf die Straße kam, wartete David schon neben dem Auto. Es donnerte wieder.
»Du glaubst doch nicht«, sagte Marcel, »daß ich dich jetzt zu diesem Kongreß bringe?«
»Doch.«
»Mein Gott, du bist wirklich wahnsinnig! Es ist halb vier! Weißt du überhaupt ...«
»Dafür haben wir keine Zeit!«
»Mach gefälligst selbst den Führerschein«, schrie Marcel, »oder kauf dir eine Fahrkarte! Ich denke nicht daran! Du kannst nach Hause mitkommen, oder du kannst hierbleiben!«
Er setzte sich ins Auto. David stand auf dem Bürgersteig und rührte sich nicht.
»Zum Teufel, steig ein!«
David schüttelte den Kopf.
»Gut«, sagte Marcel, »wie du willst. Bitte sehr. Wie du willst!« Er schlug die Tür zu und drehte den Zündschlüssel um. Mit einem hustenden Geräusch sprang der Motor an. Das Auto fuhr los, entfernte sich, verschwand.
David stand regungslos. Es donnerte wieder. Der Himmel war schwarz und bedeckt von hohen Wolken. Die Laternen über der Straße schwankten im Wind; durch die Pfützen glitten gelbe Lichtreflexe. An einer Hauswand hingen Plakate, wieder Plakate, die gleichen wie dort, wo er herkam, es waren im ganzen Land die gleichen Gesichter, die riesig von allen Wänden blickten. Eine Frau hielt eine Flasche Limonade in der Hand, ihre Fingernägel, dunkelrot lackiert, glänzten durch das Dunkel, und über dem Hals der Flasche, lächelnd, trafen ihre Augen die Augen Davids. Eine Libelle tauchte im Licht einer Laterne auf; war schon verschwunden. David stand regungslos.
Ein Motor wurde lauter; ein Auto näherte sich im Rückwärtsgang. Und hielt. Ein Fenster wurde heruntergekurbelt.
»Steig ein!«
David sah nicht hin. Ein Donnerschlag grollte über den Dächern, jetzt schon sehr laut.
»Steig schon ein, du Idiot! Sei froh, daß ich zurückgekommen bin!«
David öffnete die Tür und setzte sich ins Auto. Marcel fuhr schweigend an.
Die Straße führte zu einer anderen, zu noch einer anderen; das Donnern war jetzt sehr laut und kam in kürzeren Abständen. Neben der Straße glänzten Leuchtschriften; über dem Eingang eines Hauses versuchte eine nackte, aus rötlichem Licht geformte Frau, ihre Beine zu bewegen; aber einige der Glühbirnen waren beschädigt, und sie brachte nur ein flackerndes Zucken zustande. Aus einem Gasthaus traten Menschen; als sie auf die Straße kamen, hörten sie auf zu lachen und blickten in den Himmel. Nun waren es schon weniger Häuser. Ein Schild wies zur Autobahn.
»Du hast Glück«, sagte Marcel.
»Wieso?«
Marcel deutete auf die Scheibe. Es regnete. Die Scheibenwischer flogen hin und her, über das Glas zog ein Film von Wasser, auf der Straße vor ihnen sprangen winzige Kreise, immer mehr davon und mehr, auf und ab.
»Ach so«, sagte David, »ja. Danke!«
»Schon gut. Jetzt schlaf wieder ein.«
Die Häuser wurden größer und weniger, noch ein paar Fabrikhallen, die ihre schwarzen Schlote in den Himmel streckten, dann waren sie wieder auf der Autobahn. Marcel trat auf das Gaspedal,der Motor heulte auf. Die Bäume rechts und links wurden zu einem Geflecht von Ästen, kaum noch unterscheidbar.
Ein Riß lief durch den Himmel. Scharf und gezackt. Der erste
Weitere Kostenlose Bücher